Konserven, Kontext, Konzerte. KSB schreibt monatlich über Musik und Pop entlang dem schönsten Irrtum der Welt.
Es ist soweit. Halb vier Uhr nachmittags, in ein paar Stunden muss ich los und finde einfach alles scheisse. Die eine Hälfte der Tracks kotzt mich an, weil ich sie hundert Mal gehört habe und die Neuen passen leider zu nichts. Zudem überarbeitet, übernächtigt, verkatert, slightly depressiv, das Bett viel zu verlockend und über all dem die Frage: Wieso tue ich mir das verdammt noch mal an? Immer wieder? Wieso kann ich nicht einen Samstagabend einfach geniessen, nichts tun, früh ins Bett, oder aber: Spass haben? Tanzen, trinken, jederzeit nach Hause oder weiter, wenn ich Bock habe? Ganz ehrlich, was soll das, wem will ich was beweisen, was will ich darstellen? Aus unbekannten Gründen versuche ich jetzt, ein Set zusammenzustellen, verfluche mich für alles und schwöre mir, damit aufzuhören. Zumindest, bis ich endlich meine Musikbibliothek aufgeräumt habe. Oder mir Zeit genommen habe, darüber nachzudenken, was und wie ich überhaupt auflegen will. Oder ich machs nur noch selten. Oder maximal einmal pro Monat. Egal, weil jetzt in diesem Moment ist das alles noch weit weg, ich darf nicht zu viel saufen, weil ich sonst die Übergänge verkacke, muss schlimmstenfalls noch stundenlang mit irgendwelchen Randys die Zeit totschlagen und mich immerzu fragen, wieso ich stattdessen nicht mit Menschen zusammen bin, die mir etwas bedeuten. Und vor allem steht das verdammte Set noch immer nicht. Dann natürlich, wie immer: Irgendwann den Rank so halb gefunden oder aber aus Erschöpfung und Entnervung einfach gesagt, scheiss auf die eingebildeten Erwartungen anderer Leute, und auf meine eigenen auch, schlimmstenfalls wirds halt richtig daneben und boring und dann ist es halt das letzte Mal, ist mir unglaublich egal inzwischen. Und dann, auch wie immer: den eigenen Sound auf einem guten PA hören, irgendwo kurz vor 100 Dezibel, Leute, die tanzen, die das fühlen, was man sich irgendwann um vier Uhr nachmittags in seinem übermüdeten Hirn zusammenphantasiert hat, einfach verdammt gut. Es ist das, was übrig bleibt, was erstaunlich lange anhält und sich mit der Begeisterung über neue Tracks vermengt. Und Samstagnachmittag ist längst vergessen.
Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Novemberausgabe des KSB Kulturmagazins.