Axe Tropical in allen Ritzen

Hör mir auf mit Rock‘n‘Roll: Sex, Sport und Fressen – das ist das Triptychon des banalen Glücks. Im Turnus widmet sich KSB der scheinbaren Einfach­heit des guten Lebens.

Die Nacht ist eine Singlebörse und ich hab mein Panini-Arschloch-Sammelalbum unter dem Arm. Wir sind auf der Suche nach Spannung, Intimität, Sex, einem Flirt und wer dafür nicht in Frage kommt, ist überraschend schnell entschieden. Ist keiner da, kommt einer vielleicht später, dafür lohnt es sich, zu bleiben. Und Gott – zu oft bleibt einfach ein Fuckboy übrig. Er erzählt, was er alles scheisse findet an dieser Party und wieso er der beste Match des Abends ist und macht gleichzeitig unmissverständlich klar, dass er es ist, der entscheidet: ob wir zusammen nach Hause gehen oder nicht. Und alles andere sowieso auch. Diese Boys denken, sie riechen nach Sex, dabei ist es nur Axe Tropical Bodylotion mixed mit Parisienne grün. Wir ignorieren geflissentlich alle Warnungen unserer Freund:innen. Red Flags sind nach vierundzwanzig Uhr nur noch freundliche Empfehlungen, nüchtern und bei Tageslicht würden wir jetzt rennen. Wir wissen das, und doch sind wir bereit, uns jetzt sofort bis in alle Ritzen mit Tropical einzucremen. Ich hasse diese Dissonanz, wir sind doch Kraftfrauen. Sozialisierung ist ein Arschloch. Gefühlt gerade eben noch hab ich mir einen weiteren Teenie-Love-Scheissfilm reingezogen und mich in die Sicht der Hauptdarstellerin reingesuhlt. Sie, die den Bad Boy knackt, und ich – nach wie vor alleine unter der Bettdecke mit Urge, mir Tinder runterzuladen. Ist es einfach das kleine Vielleicht, eine gelernte Sehnsucht nach der perfekten Liebesgeschichte, die zuerst einmal schwer und scheisse sein muss? Der Wert der Dinge misst sich an seinem Seltenheitsgrad, ich und der Fuckboy sind demnach ein hinter meinen Idealen und meinem Verstand zurückgebliebenes vierblättriges Kleeblatt. Zusätzlich bin ich wahrscheinlich süchtig nach Enttäuschung, weil sie den Erfolg impliziert, den ich hätte haben können. Oder nach der Spannung davor, oder beides. Mir meiner Position in dieser Struktur bewusst zu werden beruhigt und bringt mir ein Stück Entscheidungsmacht zurück. Und anstatt mich dem Boy hinzugeben und mir einzureden, es gehe nur um unverbindlichen Sex, um am Ende dann enttäuscht zu sein, statt darauf zu warten, dass er vom Zigarettenholen zurück kommt und dass es diesmal sicher anders wird, greif ich das nächste Mal lieber von Anfang an zum Sextoy. Das garantiert mir nicht nur bedingungslosen Konsens, sondern sogar einen verlässlichen Klitoris-Ordnungsdienst. Sextoys over fuckgirls und fuckboys. Das ist ein Reminder an mich selbst und auch an euch, liebste Freund:innen: Was nach Scheisse riecht, ist es meist auch.

Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Juniausgabe des KSB Kulturmagazins.