Nach zwei Monaten Grossstadt wieder zurück im überschaubaren Bern, pünktlich aufs tägliche Lichtspiel am Bundeshaus und pünktlich auf die Hochsaison des Nachtlebens. Mit dem Herbst verschiebt sich die Kultur wieder in die warmen Clubs und Konzertlokale und ballt sich bei der Reitschule, am Bollwerk und in der Speicher- und Aarbergergasse. Ein bisschen traurig um das Ende meiner Ferien, aber froh wieder zuhause zu sein und kaum den Jetlag überwunden, ging ich am Wochenende raus ins Berner November-Nightlife.
Die meiste Zeit in Buenos Aires verbrachte ich in einem Quartier, von welchem in den Reiseführern steht, man solle ausschliesslich die eine touristische Ecke besuchen. Der Rest sei zu gefährlich. Nach anfänglicher Unsicherheit, stellte sich dies bald als seltsam verdrehte Information heraus und das Quartier als ganz nette Nachbarschaft, auch wenn man gewisse Strassen nachts meiden sollte. Wenn man nicht wie die hinterletzte Touristin mit der Spiegelreflexkamera rumläuft, gehört man schon bald zur wild zusammengeworfenen Community und wird von Restaurantbesitzern, Kioskverkäuferinnen und Drogendealern auf der Strasse gegrüsst und also bewegte ich mich widererwarten mit einem guten Gefühl in den Strassen jener Grossstadt und des angeblich so gefährlichen Quartiers.
Umso mehr erschreckte mich kurz nach meiner Rückkehr das nächtliche Bern. Freitagnacht und vier Uhr morgens schien die Schützenmatte nicht viel mehr als eine ungemütliche Ansammlung düsterer Ecken zu sein, die man lieber nicht alleine überqueren sollte. An der Ecke des Le Ciel traf ich die üblichen betrunkenen Streitereien an und weiter in die Speichergasse vorbei an grimmigen Türstehern und kotzenden Menschen, irgendwo pisste einer in einen Hauseingang, Glas zerbrach, ich fühlte mich unwohl und zog mir die Kapuze tiefer ins Gesicht.
Ist das Berner Nachtleben wirklich so ungemütlich, wenn nicht sogar gefährlich, oder bin ich einfach ängstlich geworden, weil sich vergangene Geschichten eingebrannt haben? Geschichten von Vorfällen auf dem Vorplatz, von Überfällen auf der Schütz und ständig die betrunkenen Übergriffigkeiten, immer wieder angequatscht werden von Typen, die manchmal von der anderen Strassenseite oder von noch weiter rufen und die mir auch schon bis zur Haustür gefolgt sind. Und gleichzeitig verprügeln Polizist*innen Junkys und Demonstrierende. Da kann man schon mal paranoid werden oder sich zumindest ziemlich unwohl fühlen in einer Berner Freitagnacht zwischen Reitschule, Speicher- und Aarbergergasse, zwischen Alkohol, Testosteron, Repression und nicht wahrgenommener sozialer Verantwortung.
Zuhause und im Internet fand ich dann immerhin eine oder zwei Neuigkeiten, die Linderung versprechen: Zum Beispiel sollen soziale Massnahmen in Form eines Vermittlungsteams die Situation auf der Schütz verbessern. Und die Turnhalle hat sich vom Sicherheitsdienst «Taktvoll» weiterbilden lassen: Für ein Nachtleben ohne Rassismus, Sexismus, Homophobie und Gewalt. Weil Ausgehkultur auch ohne den ganzen Bullshit funktioniert und ein faires und respektvolles Verhalten möglich ist, egal wieviel Alkohol oder andere Drogen man intus hat. Dann macht Feiern sogar noch mehr Spass und zwar allen. Nicht nur jenen, die die nächtlichen Strassen für sich beanspruchen und den Raum dafür nutzen, dass sich andere unwohl oder bedroht fühlen. Aber was soll man tun, denn solange asoziale Strukturen wie das Patriarchat oder der Kapitalismus unsere Gesellschaft dominieren, wird sich das nicht wesentlich ändern. Die könnte man doch eigentlich langsam mal abschaffen.