Be more of a Dick, Schweiz

Gibt was zu feiern heute. Happy Birthday, Herman Melville! Geboren am 1. August 1819. Lebtags ziemlich erfolgloser Autor, weil er seiner Zeit ein wenig voraus war, oder vielleicht eher, weil er nicht viel gab auf Zeitgeistiges und einfach grosse Romane schrieb, die lieber aufs Meer hinaus zogen als sich brav in die literaturhistorische Landschaft zu fügen.

1851 dann: «I have written a wicked book.»

Dieser dicke Moby Dick: Ein verflucht gutes Buch, wissen wir heute. Ein verflucht unbequemes, auf Konventionen scheissendes. Und ein verflucht heutiges. Nicht nur weil dieser weisse Wal für so ziemlich jeden Dämon herhalten kann, der uns als Einzelne oder auch als Gesellschaft verfolgt, dass man das Buch also machtpolitisch, tiefenpsychologisch, kulturhistorisch und was weiss ich noch wie lesen kann.

«The White Whale swam before him as the monomaniac incarnation of all those malicious agencies which some deep men feel eating in them.»


1954, England, Elstree Film Studios, filming «Moby Dick», by Frank Horvat

Sondern auch, apropos Gesellschaft: Weil diese Geschichte einer Schicksalsgemeinschaft auf einem grossen, den Winden ausgeliefterten Schiff – unter Führung eines nicht so ganz gesunden, von Obsessionen getriebenen Chefs – ganz nebenbei emanzipatorische Avantgarde war. Ok, mit der Frauenquote steht es sehr schlecht in dem Buch (Bechdel-Test: failed), das war wohl nicht anders zu machen, mit dieser Story. Dafür aber sind viele der spannendsten Figuren Nicht-Weisse (und zwar aller möglichen Couleur). Was D. H. Lawrence schon vor fast hundert Jahren als Anfang vom Ende des weissen Amerika gelesen hat:

What then is Moby Dick? He is the deepest blood-being of the white race; he is our deepest blood-nature. And he is hunted, hunted, hunted by the maniacal fanaticism of our white mental consciousness. We want to hunt him down. To subject him to our will. And in this maniacal conscious hunt of ourselves we get dark races and pale to help us, red, yellow, and black, east and west, Quaker and fireworshipper, we get them all to help us in this ghastly maniacal hunt which is our doom and our suicide.

Weniger zentral, aber trotzdem deutlich genug: Melville darf auch als der klassische Autor gelten, der die Heteronormativität in der Literatur entsorgt hat, es geht auf dem ollen Kahn nämlich ziemlich queer zu und her, und zwar nicht bei Randfiguren, sondern auch beim Ich-Erzähler.

Lies das mal, Helvetia! Und schneid dir vielleicht was ab davon. Weil weisst du, The Times They Are a-Changin›. Und es geht nicht immer nur ums Geld. Obwohl, wie meinte Melville: «Oh, Time, Strength, Cash, and Patience! God keep me from ever completing anything. This whole book is but a draught—nay, but the draught of a draught.»