Pio Corradi, Monserrate über Bogotà, 1979 (Fotostiftung Schweiz)
Oui, je t’aime, moi non plus – «Drück ab», sagt Kuno Lauener kurz vor dem Schuss, er muss schauen, dass ihm die Zigarette nicht verrutscht, die hat gerade eine gute Länge, die Cotelettes auch, 1993 in der Lorraine. An der Bea 2008 süffeln die Kandidatinnen von Miss Tuning einen Energydrink, der «Orgasmus» heisst. Und Che Guevara erklärt Fabrikarbeitern, wie man Revolution von unten macht. 1964 in Sangue de la Gran.
Ernst Baumann, Che Guevara, Rede zu einer Fabrikeröffnung, Sangue de la Gran, 1964 (Staatsarchiv des Kantons Bern).
«The Last Picture Show» heisst es auf der Galerie im Kornhaus, Blütenlese. Bernhard Giger, langjähriger Leiter und Anwalt fürs Foto, tritt ab und an den Wänden hängen fünfzig Bilder aus den zahlreichen fotografischen Ausstellungen seit Gigers Antritt 2009: fünfzig Fenster in die Welt hinaus, fünfzig Zugänge, handwerkliche, künstlerische, journalistische, experimentelle, sachliche und fantastische. In unaufgeregter Hängung an den Wänden des niederschwelligsten Kulturangebots der Stadt: gratis, ohne Ausschank, Szene und Trommelwirbel ist es die beste Adresse, wenn man zum Beispiel zwanzig Minuten Zeit hat an einem viskosen Nachmittag. Ausserdem ist man da oben meistens für sich.
Hans Tschirren, Gastspiel der Heidi-Bühne im Hotel Löwen, Beinwil am See, 1945 (Staatsarchiv des Kantons Bern).
Der Krieg ist vorbei, Warten auf den Zug nach Eldorado in Milano Centrale. In Marrakesch wird Hassan der II. gekrönt, aber der Fotograf traut seinem Blick fürs Wesentliche und die Berner Young Boys verlieren im Schnee den Kopf. Zusammen todmüde sein im Nachtclub könnte Liebe bedeuten, Bern, Dampfzentrale. Die Malschule von Max von Mühlenen, Bern, unter dem Kornhausdach. Und der Krieg ist vorbei, die Moderne schlägt nochmals auf, das Oberlicht fällt durch Dachverglasungen in den Malsaal der Abstrakten, verschwundene Dachverglasungen –
Das Kornhaus im Zustand nach dem Umbau von 1898 (Kunstdenkmäler des Kantons Bern).
Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte das grosse Kornhaus ungefähr sechs Dutzend Fenster mehr als heute, hatte überhaupt Fenster bekommen, wo vorher Schlitze waren zum Belüften des Getreides, die mit Säcken und Läden verhangen wurden gegen das Wetter. Und da hatte dieser gemütliche Koloss mit den kleinen Augen, der immer ein Speicher war und geblieben ist, für Korn und kulturelle Konvolute, zeitweilen ein recht anderes Gesicht: Zwischen 1898 und 1975 staunte es einem nicht schlecht entgegen, das alte Haus, reich befenstert und festlich aufgeputzt. Die Schlitze bekam es schliesslich zurück, 1975 beging Europa das Jahr für Heimatschutz und Denkmalpflege – und weg war die Fensterfront.
Saal und Galerie sind geblieben, als versöhnliche Verneigung vor dem Entwurf von 1898. Darin still und unverzichtbar, wenn einer zwanzig Minuten Zeit hat an einem Nachmittag oder wenn die Altstadtprosa zu gruseln beginnt: Das Kornhausforum und seine Bilderfenster.
Margrit Baumann, Namibia, 1997 (Staatsarchiv des Kantons Bern).
«The Last Picture Show» – Fotografie im Kornhausforum 2009 – 2020, noch bis zum 8. Mai. Dienstag bis Freitag zwischen 10 und 19 Uhr, Samstag von 10 bis 17 Uhr.