Bei vollem Unbewusstsein

Konserven, Kontext, Konzerte. KSB schreibt monatlich über Musik und Pop entlang dem schönsten Irrtum der Welt.

Seit Tagen höre ich das neue Album von Domi Chansorn, «hoppalulu bum» und weiss, wie man Dinge weiss, die man fühlt, so ohne Worte, dass es gut ist (Leute, die mit Wörtern arbeiten, hassen das). Aber ob es gut gut ist, weiss ich nicht. Das ist erst einmal egal, gut gut ist zwar ein grundlegendes, aber langweiliges Kriterium für ein Werk. Was es sonst ist: zu viel für 2500 Zeichen inkl. Das sei vorausgeschickt. Es ist wilder als alles, was ich schreiben kann. Habe mir notiert: halluzinogener Pop. Irgendwas mit Trip. Irgendwas mit Sog, auch Lebendigkeit und ja eh, greller Frühling im Halbschlaf. Luzides Träumen. Psychedelisch im Wasser rumstehen (psychedelisch sagen alle). Es ist, wie Drogen und Polyamorie, etwas für Erwachsene. Leider habe ich grad zweite Pubertät und bin an einer Schwelle zu irgendwas Unbekanntem und weiss nichts, alle Wörter sind wie nasse Tiere mit Schuppen. Doch es gibt einen Trick: Wer etwas erfahren will, kann nach aussen oder innen schauen. Kompetente Fachperson oder tiefes, nebliges Unterbewusstsein – ist dasselbe. Zum Glück muss ich noch mit Frau G. vom RAV telefonieren, meine Lieblingsautoritätsperson und erwachsener Mensch per Definition. Sie weiss beruhigend viel. Trotzdem höre ich das Album zuerst noch mit ein bisschen was Bewusstseinserweiterndem intus. Ist nicht wirklich angenehm, was ­logisch ist, wenn Plus und Plus Minus gibt, und was der Beweis für «psychedelisch» ist, immerhin. Die Selbstständigkeit laufe zufriedenstellend, sage ich. Sie freut sich. Aufträge, sage ich, Schreiben und so. Sie findet das gut. Und weil Frau G. Expertin für alles ist, frage ich, wie sie das Album finde. Sie sagt: Es ist wie kleine Tröpfchen, es kriecht in alle Löcher, ohne dass man es merkt. Eigentlich wie ein unglücklich dosierter Trip, begleitet von Folk aus einem Transistor-Radio, es ist wie 37 Minuten durch kniehohes, sumpfiges Unbewusstsein waten. Trippy, sage ich. Frau G. ist sehr weise. Sie weiss noch mehr: Es wird gesagt, das Album sei schon vor drei Jahren ready gewesen sei, aber es kam mindestens eine Depression dazwischen. Es ist vielleicht ein Anrufen der Durchlässigkeit, eine Ode an die Gleichzeitigkeit und an die Leichtigkeit. Ich kann das unmöglich so schreiben, Frau G., sage ich, Ode sowieso nicht. Für Sprache sind Sie die Expertin, sagt sie. Und was kommt nach all dem, Frau G.? Der Fisch ist der Beweis, meint Frau G. und dreht ihren Kopf einmal um die eigene Achse. Für mehr Antworten soll ich das Album rückwärts hören.

Domi Chansorn: «hoppalulu bum», Second Thoughts Records, 2022. Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Juniausgabe des KSB Kulturmagazins.