Der Gerichtszeichner der Gesetzlosen

Zeichner und Gestalter David Fürst legt zwei Hefte aus dem Untergrund in Eigenproduktion vor. «Bilder der Anstadt», eine Etüde zur Sommerzeit auf dem Wagenplatz beim Gaswerkareal und «Underground Fight League 2020» – die offiziell noch unveröffentlichte Dokumentation zur Boxnacht in der Grossen Halle Anfang letzten Jahres.

Auch für die Szene war das ein Jahr, als versuchte man sich zu einem Artikel im Kulturteil der Zeitung mit den Fingern voller Honig vorzublättern. Viel Effort, wenig Ertrag und nicht einmal ein Abend Karneval wart vergönnt. Trotzdem – leben muss man ja trotzdem noch und gekocht wird immer irgendwo, Zwiebeln geschnitten oder Tofu frisiert, Zucchetti frittiert im Olivenöl. Nach dem Essen kommt die Moral, zu verhandeln gibt es auch immer irgendwas und Aktionen wollen geplant sein. Wellblechbeschaffung oder Fenster schürfen gehen in der Nacht, damit man weiterbauen kann – bauen sowieso.

David hat sich Zeit genommen. Hinschauen und warum nicht gleich dableiben, an was bauen die da unten an der Aare eigentlich genau? Welche Luftschlösser stecken hinter diesen Kulissen, zwischen Mad Max Filmset und Würfen, die sich spielend in Architekturzeitschriften einpassen liessen. Oder beim DIY-Happening UFL 2020 – was bleibt, wenn man das Flüchtige der grossen Sache abzeichnet, fotografiert, die Bilder mit Gesprächsfetzen und Bemerkungen durchsetzt, ähnlich den Sprechblasen in Comics?

Ein sanftes Mittendrin statt nur dabei. Unter Davids Feder erfährt dem Geschehenen ein Pastellton, der nicht bloss an der Farbwahl seiner Kolorierung liegt. Sein suchender Strich folgt dem Prinzip der Annäherung. So könnte das dann tatsächlich gewesen sein. Die Kraft seiner Montagen wirkt am stärksten, wenn sich die Zeichnungen mit Fotos überlagern und man mit dem Ellenbogen im Couscous landet, während die grossen Zehen schon in der Aare baden. Im Chaotischen offenbart sich seine Ordnung. Es ist eine der Nachsicht – im besten Sinne.

Beim Gerichtszeichnen geht es um ein gewisses Tempo, aus der Ruhe heraus, das Typische zu erfassen bedarf einen ästhetischen Überblick. Der künstlerische Ausdruck nicht auf der Bestätigung von Vorurteilen, obwohl Äusserlichkeiten überzeichnen werden können. Respekt, Menschenwürde, eine Zurückhaltung, die von messerscharfen Kameras schwer ausgehen kann. Darum muss da wer sitzen, der schnauft und versteht, wie sich das darstellen lässt. David macht das nicht für die Richter, sondern für das Herz in den Wolken einer besseren Welt.

David Fürst ist Jugendarbeiter, schreibt und gestaltet neben den freien Arbeiten für die Zeitung Megafon aus der Reitschule und manch eine*r sagt, dass er eigentlich am schönsten tanzt. Im Heft «Bilder der Anstadt» findet sich eine eingepasste Carte Blanche der Zeichnerin Julia Trachsel über knapp zwanzig Seiten. Beide Druckprodukte sind (noch) nicht öffentlich erhältlich.