Eine Seuche wird kommen – es ist das Mantra der Epidemiologen. Man hätte nun sagen können: klar, ihr braucht dieses Narrativ, aus naheliegenden Gründen. Wenn sie nicht kommt, sind all eure Modellrechnungen und Vorsorgeszenarien in den Kamin geschrieben. Aber egal wie wahrscheinlich die nächste grosse Epidemie gewesen sein mag, als Motiv war sie immer schon da. Denn es taugt wunderbar für grosse Geschichten: die Seuche und der mit ihr einhergehende Ausnahmezustand – nicht der verordnete, sondern der sich unmittelbar und unweigerlich von selbst einstellende – als grosse gesellschaftliche Umwälzerin, als Entblösserin des Allzumenschlich-Tierischen, mag es noch so tief unter der Zivilisationsfirnis (die, würden andere, mit weniger dramatischen Mitteln hantierende Autorinnen und Autoren sagen, ja eigentlich sowieso dünn ist) verborgen sein.
Jack London wählte vor gut hundert Jahren in The Scarlet Plague den Holzhammer – und eine raffiniert gestaffelte Zukunft, um ihn drüber niedergehen zu lassen. Ein Erreger, der Menschen so rasch und gründlich dahinrafft, dass wir uns nur beglückwünschen können zur Zaghaftigkeit von Covid19.
But this was different. It struck so suddenly, and killed so swiftly, and never missed a stroke. When the scarlet rash appeared on a person’s face, that person was marked by death. There was never a known case of a recovery.
Nach dem ersten Auftreten der Krankheit 2013 ist natürlich nichts mehr wie zuvor. Und sechzig Jahre später ist kaum mehr etwas übrig geblieben von der schön ziselierten, wissenschaftlich und kulturell hochgezüchteten Gesellschaft, deren irre raschen Verfall London mit schmissigem Pinsel ausmalt.
“They get thicker every day,” he complained in a thin, undependable falsetto. “Who’d have thought I’d live to see the time when a man would be afraid of his life on the way to the Cliff House. When I was a boy, Edwin, men and women and little babies used to come out here from San Francisco by tens of thousands on a nice day. And there weren’t any bears then. No, sir. They used to pay money to look at them in cages, they were that rare.”
“What is money, Granser?”
Before the old man could answer, the boy recollected and triumphantly shoved his hand into a pouch under his bear-skin and pulled forth a battered and tarnished silver dollar. The old man’s eyes glistened, as he held the coin close to them.
“I can’t see,” he muttered. “You look and see if you can make out the date, Edwin.”
The boy laughed.
“You’re a great Granser,” he cried delightedly, “always making believe them little marks mean something.”
The old man manifested an accustomed chagrin as he brought the coin back again close to his own eyes.
“2012,” he shrilled, and then fell to cackling grotesquely. “That was the year Morgan the Fifth was appointed President of the United States by the Board of Magnates. It must have been one of the last coins minted, for the Scarlet Death came in 2013. Lord! Lord!—think of it! Sixty years ago, and I am the only person alive to-day that lived in those times. Where did you find it, Edwin?”
Das tolle an Londons Abgesang auf eine Zukunft, die er selber ja noch gar nicht kannte – eine Science-Fiction-Szenerie wie ein schöner Flügel, den man nur gebaut hat, um ihn gleich zum Fenster rauszuschmeissen -: Man kommt nicht so recht dahinter, was er selber darüber denkt. Der weinerliche Literaturprofessor, der seinen verrohten, begriffsstutzigen, sprichwörtlich gemeinen Enkeln von der guten alten Zeit erzählt, als die Welt noch Manieren kannte und eine Herrenrasse die dummen Arbeiter unterdrücken durfte – London holt einen irgendwie auf seine Seite, und dann denkt man sich den Plot noch einmal durch und hört auf die politischen Untertöne, und alles gerät durcheinander. So dass man beinahe biblisch wird und denkt: göttliche Strafe für teuflische Zustände. Seuchen kommen nie umsonst.