Eher Aufbruch

Am Mittwoch trinken wir so lange Bier im Sous-Sol, bis es uns rüber ins Rössli schwemmt, in diesen Nebel. Jetzt schon, wo es noch gar nicht angefangen hat. Tomer Damsky ist sehr viel kleiner, als ich es mir beim Vorabschauen der Videos vorgestellt habe, als sie auf einmal neben mir steht im neongelben Faserpelz und Leggings, die Bühne und mich anschreit, darauf Marco Milevski Tomasin und Eyal Lally Bitton: Wackelkontakt aus Jerusalems Untergrund. Man weiss nicht genau, ist es die Musik oder Damsky, die schreit, Musik wie Strobo, der den Nebel ausleuchtet. Ich biete Soraya vom Joint an, aber sie hat schon selber. Vorne erzählt Damsky etwas in runtergepitchter Stimme und klingt wie ein langweiliger Bürolist, wir lachen unser Presslufthammerlachen. Das passt eigentlich ganz gut: Der Raum die Strasse, die wir zertrümmern wollen, wie es die Maschine da vorn mit unserer Distanzierung tut. Gewalt? Vielleicht eher Aufbruch.

Sie wisse nicht genau, wie sie das sagen solle, bei allem anderen, was gerade scheisse läuft, spricht Zooey Agro am Samstagabend ins Mikrofon. Aber es ist Frauenkampftag, und das ist wichtig. Tommy Lobo schliessen den Abend ab, auch wenn nach ihnen noch jemand kommt – Nebel und Rotlicht und Zooey, die die Leute auch hier dazu bringt, sich mit ihr hinzulegen. Es tut dieser Turnhalle gut. Hinter mir einer: «Itz haut mau d Schnurre!» – das will er laut sagen, aber er traut sich nicht recht. Manchmal ist Verunsicherung schön mitanzusehen.

Auf dem Frauenklo steht an der Wand LOVE YOURSELF TILL YOU DIE und ich frage mich, wo ich mit meinen Selbstzweifeln hin soll. Sich selber hässlich finden war nie so subversiv – alternativ könnte man vielleicht zwanzig Kilo zunehmen, einfach so. Der Body-Positivity-Workshop am feministischen Aktionswochenende wurde abgesagt, glaube ich, ich habs sowieso nicht geschafft hinzugehen; dort hätte ich gerne danach gefragt. Es ist Frauenkampftag, und das ist wichtig, aber mein Körper wahrscheinlich nicht so sehr. Julie Doucet ist mir in dem Moment sehr nahe, wie sie sich als wütende Bestie zeichnet, die durch die Stadt zieht, die Strasse überflutet mit Blut auf der Suche nach Tampons. Scheissegal, wie das aussieht und eben: Ich bin froh, wenn mein Körper soweit einigermassen funktioniert und ich mich mit anderem beschäftigen kann.

Zooey ist sogar beim Textablesen sehr gut. Tomer lacht und schreit. Soraya umarmt mich. Frauenkampftag? Mein Körper, meine Zweifel, meine Freund*innen, mein Nebel: Strasse, Maschinen, Gewalt, Aufbruch.