Es hätte geregnet

Also doch nach Bonn. Der Himmel hängt fast bis runter auf den aussergewöhnlichen Freileitungsmast, der den Weg anzeigt vom Dorf zum See. «Die Schönste weit und breit», sagt jemand, in rüstige Technik verliebt. Ein Femininum diesem seltsamen Mast. Auf halber Strasse verschifft es uns das Lachen und jemand anderes sagt: «Es hätte geregnet.» Wir wären hingegangen.

Dann sind wir da. Auf ein frühes Cardinal bei Wurst Frites und Musik. Friedlich versammelt: Die auch sonst kommen und die hingegangen wären, Pferdeschwänze und Pilzfrisuren, Welsche, Sensler, Berner, Briten und Kalifornier und ein paar Aargauer sogar. Aufs Feld schauen zu den Hühnern und rauf zum Himmel: Was da wohl sonst noch alles runtergefallen wäre in diesen Tagen? Und zwischen den Tischen jene, die Bad Bonn sind, das ganze Jahr und im Hintergrund. Die Küche, Bar und Büro schmeissen, mit einer Haltung von freundschaftlicher Unaufgeregtheit und diesem weltläufigen Schulterzucken auf Senslerdeutsch. Dass die Dinge endlich sind, das wissen sie am Schiffenensee. Genau genommen ist Bad Bonn nämlich längstens untergangen. 1963, als man die Staumauer fertiggestellt hatte und den alten Weiler abgerissen und ertränkt.

«Der Stillstand war wie eine lange Nacht. Jetzt kommt der Morgen, alles fühlt sich etwas komisch an und neu. Aber in den Unterhosen ist man kreativ.»

Niemand aus dem Kulturbetrieb hat den Lockdown so demütig und erfrischend kommentiert wie Duex Fontana. Die Journalisten kamen an, wie das denn jetzt sei mit den Finanzen, Streaming, Behörden, Industrie und ob es denn das Bad Bonn noch gebe dereinst, die Kilbi, wie das damals war mit den Queens Of The Stone Age – und statt Phrasen, Schuldzuweisungen oder Aufgewärmtes hat ihnen der schlaue Mann aus Düdingen ein paar einfache Dinge erzählt über die Prosa des Konzertemachens. Dass es eigentlich gut sei, kein Jubiläum feiern zu müssen und dass dann Rüben wachsen würden auf dem Feld. Und sonst mal abwarten bei Cardinal, Frites und Wurst.

Nostalgie ist ein Scheissgefühl und Josh Hommes Rasierwasser hat man hier lange nicht mehr gerochen. Tausend Musiker*innen haben sich seither den Kopf gestossen am Lautsprecher bühnenrechts, tausendmal hat man Gottéron beim Boxplay zugeschaut und tausendmal einfach Beiz, einfach Dorf – schön wars, schön wirds.

Wir fahren in ein Agglomerationsdorf ein, auf dem Heimweg in die Stadt. Mittelstation Architekturkrise. «Das ist von mir» sagt jemand und zeigt auf eine widerständige Wandmalerei. Zehn Jahre ist das jetzt schon her.