Europaletten und Lichterketten

KSB ist im Sommerloch: Untergegangene Beiträge, vergessene Postings, ignorierte Sitzungstermine und ein liegengebliebenes Essay in den Entwürfen. Aber das hat seine Gründe, denn erstens ist es oft einfach zu heiss, als dass irgendwas anderes in den Kopf reinpassen würde als gespritzter Weisswein und zweitens hat sich die Hälfte der Redaktion mit dem Ostfest straight ins Burnout der Kulturveranstalter geschuftet. Ein Rückblick zum konventionellen Musikfestival draussen beim alten Tramdepot, so halb von hinter den Kulissen, oder zumindest von hinter dem improvisierten Bartresen.

Beim Punto gabs nun also zum dritten und letzten Mal vier Tage Musikkultur auf vier Bühnen, ohne Pause, ohne Gnade, für 30 bis 40 Stutz pro Abend. Zu günstig für das geboten Programm, zu teuer für ein Quartierfest, für das es gehalten werden könnte, schliesslich heisst es Ostfest und findet im Ostring statt. Doch das Ostfest ist ein Musikfestival, so konventionell, dass es schon wieder aussergewöhnlich ist. Mit den Stahlbergers am Mittwoch wurde der Headliner am ersten Tag gesetzt, wenn es denn so etwas wie einen Headliner überhaupt gab bei diesem Programm, bei diesem herzhaften und sorgfältig kuratierten Booking. Nachdem der Auftakt noch bei einer Männerquote von 100% lag, standen in den folgenden Tagen auffallend viele Frauen auf den Bühnen, zum Beispiel unten im Keller Tommy Lobo, Kush K und Ella Soto, oben auf der Hauptbühne Camilla Sparkss und Perel, im Zelt Inez, All XS und Gaddafi Gals.

Ein musikalisches Highlight jagte also das andere, an diesem Fest für Liebhaber*innen und für die Szene, avantgardistisch vielleicht, aber wohl viel mehr anachronistisch mit den ganzen musikalischen Referenzen, Rückbezügen und Fusionen der Genres und aufeinander gestapelten Gitarrenverstärkern. Und das alles auf diesem innerhalb von zwei Wochen liebevoll und euphorisch eingerichtetes Gelände, mit Europaletten und Lichterketten. Und doch schlich sich immer wieder eine Spur Unbehagen ein, wenn man mal Zeit hatte zwischen zwei Konzerten. Unbehagen wegen der Dekadenz dieses jungen Kulturbürgertums, diesem Tempel des Hedonismus, schön mit anzuschauen, schön mit dabei zu sein, aber zugeschnitten auf ein weisses Mittelschicht-Publikum. Unbehagen, weil Booking, Technik und Organisation bis auf wenige Ausnahmen in Männerhänden liegt und es schwierig ist, sich in einer solchen Dynamik aktiver zu beteiligen als ein zwei Barschichten zu übernehmen, weil der Raum halt nicht grenzenlos ist und nur für die, die ihn sich auch nehmen.

Und doch wäre schön, wenn dieses dritte nicht das letzte Ostfest gewesen wäre, wenn dieses konventionelle Musikfestival mit dem aussergewöhnlichen Booking und der unbändigen Freude fürs Veranstalten weiterleben würde. Und vielleicht wird es ja etwas inklusiver sein, das nächste Mal.