Nichts. Ausser, dass beides am selben Tag stattfindet und es auf den entsprechenden Webseiten jeweils einen Zähler gibt, der die verbleibende Zeit bis zum Frauen*streik respektive Greenfield runterzählt: Die Vorfreude ist gross auf den schweizweiten Frauen*streik und ebenso auf das Männerfestival in Interlaken.
Das Greenfield hatte 2017 gerade mal 7% Frauenacts auf der Bühne, zählte damals «Der Bund». Ich habe nicht nachgezählt für das diesjährige Greenfield, aber einen Blick auf das Lineup lässt nur eine kleine Verbesserung vermuten. Für eine derart miserable Frauenquote müssen wir jedoch gar nicht erst bis nach Interlaken: Das Zentrum Paul Klee hat in den vergangenen zehn Jahren 6% Kunst von Frauen ausgestellt. Das hat eine kürzlich veröffentlichte Studie von Swissinfo ergeben, und auch, dass es mehrere schweizer Museen gibt, die es auf stolze null Prozent schafften.
Aber das ist ja auch in Ordnung, dass es solche Männerfestivals und Männermuseen gibt: Räume, in welchen Männer unter sich sind, sich sicher fühlen und sich gleichzeitig kritisch mit den Männerdynamiken und der eigenen Männlichkeit auseinandersetzen können und gemeinsam darüber austauschen. Schliesslich leiden Männer ja auch unter dem Patriarchat, deshalb gibt es ja zum Beispiel den Battle Rap als Raum, in welchem diesem Leiden Ausdruck verliehen werden kann und in dem gemeinsam an einer Befreiung von Männlichkeitsnormen gearbeitet werden kann. So stelle ich mir das jedenfalls vor, ich war noch nie Backstage bei einem Battlerap oder beim Männerfestival Greenfield und ich weiss nicht, was dort tatsächlich für Diskurse geführt werden.
In der Kommentarspalte vom Artikel zur Frauenquote beim Greenfield meint einer, das sei doch gelebter Sexismus, wenn weibliche Acts zur Verbesserung der Quote männlichen vorgezogen würden. Und unter der Swissinfo-Studie schrieb einer, eine Frauenquote in der Kunst sei doch komplett hirnrissig. Würde ich die Kommentarspalte nicht als Schutzraum für Männer respektieren, täte ich (am liebsten in Capslock) da drunter kommentieren: Es geht doch nicht um Quoten, es geht um Homosozialität. Es geht darum, dass Männer unter sich vernetzt sind, sich gegenseitig weiterempfehlen und in ihren Männerräumen reibungslos funktionieren.
Einmal bin ich in eine Bookingsitzung eines kleineren Musikfestivals reingeplatzt. Da sassen vier männliche Booker verzweifelt am Tisch und berechneten das Geschlechterverhältnis des geplanten Bookings, bestrebt ein vielfältiges, ausgeglichenes Programm zusammenzustellen. Der Frauenanteil war zwar bereits massiv besser als jener am Greenfield 2017 oder im Zentrum Paul Klee, aber bei weitem nicht die Hälfte. Vielleicht liegt halt das Problem darin, dass bereits das Booking von Männern gemacht wird und die sind trotz der Absicht ein vielfältiges Programm zu kuratieren, halt trotzdem noch homosozial vernetzt und es bedeutet viel Arbeit, das eigenen Netzwerk auszubauen.
Die Vernetzung ist am Ende auch die aufwändigste Arbeit, die rund um den Frauen*streik geleistet wird. Ohne diese Arbeit wäre der 14. Juni so, wie er organisiert ist und begangen werden wird, undenkbar. Aber die Vernetzung geschieht nicht nur zur Bestärkung und Förderung von Frauen, sondern auch, um es den Männern etwas leichter zu machen und sie zu befreien aus dem homosozialen Käfig. Zum Beispiel wird Aliance F anlässlich des Frauen*streiks unter dem Projektnamen «she knows» eine umfangreiche Liste mit Expertinnen veröffentlichen, die für Podien und Interviews angefragt werden können. Und dann gibt es noch die Medienfrauen, die Commedyfrauen, Helvetia rockt oder die Slam Alphas: Alles Frauennetzwerke, eine direkte Reaktion auf die strukturelle Homosozialität, die auch ohne Internetplattformen und Listen auskommt, weil sie so stark gesellschaftlich verankert ist.
Vernetzung ist mühsam und sowieso irgendwie gruselig, aber wenn es um Öffentlichkeit und Sichtbarkeit geht, ist sie elementar. Öffentlichkeit und Sichtbarkeit wiederum ist mühsam, wenn man keine Vorbilder hat. Ohne sichtbare weibliche Vorbilder kostet es zumindest zusätzliche Überwindung als Frau auf eine Bühne zu stehen und in die Öffentlichkeit zu treten; in einer homosozial vernetzten Welt der Greenfields und Paul Klee Zentren.
Deshalb werde ich am 14. Juni auf die Strasse gehen, für mehr weibliche Vorbilder, für mehr Sichtbarkeit und die Erweiterung unserer Netzwerke. Und in der Hoffnung, dass Typen mit Wikipedia-Eintrag und grosser Reichweite vielleicht für einen Tag mal die Klappe haltern. (Streiken kann ich leider nicht, weil es in meinem Freelancer-Artist-Lifestyle keine geregelten Arbeitszeiten gibt, dafür werde ich mich einfach mal nicht einem Fuckboy aufs Gesicht setzen, wenn er mich darum anfleht.)
Falls es immer noch Männer gibt, die nicht so ganz wissen, ob sie nun mitmachen dürfen an diesem Frauen*streik, oder davon ausgeschlossen werden: Am besten zuhause bleiben, sich mal informieren worum es denn nun eigentlich geht und wo sie Teil des Problems sind und wo sie konkret selbst unter dem Problem leiden. (Zum Beispiel hier.) Oder einfach mal wieder ein gutes Buch lesen, eins das eine Frau geschrieben hat. Oder ans Männerfestival nach Interlaken.