Gaffa kommt von Gülle

Und mit Gaffa lässt sich die Welt kleben. Dinge, die die Welt bedeuten: Brillen, Turnschuhe, auseinanderdriftende Interkontinentalplatten. Es kommt auf den Versuch an.

«Das schöne ist, wir können machen was wir wollen in diesem Heft. Uns ist es egal, ob das ankommt, was wir da produzieren oder nicht. Gaffa Zine – das ist freier Ausdruck.»

Das sagt mir Dario Forlin am Telefon, zusammen mit drei Freunden ist er der Herausgeber dieses gestalterischen Untergrundmagazins. Monatlich erscheinen um die 20 Seiten Volumen: Moderne Montagen von Fotografie über Grafik, Textsprengsel, Illustration und Typografie; meist monochrom gehalten, auf ungestrichenem Papier. Synapsensprünge zu kulturellen Idiotien, rat race troubles, Überproduktion, Verblendungen – stone washed in ihrer rauen Applikation, Trash, wie aus dem Faxgerät, höchstens Risographien, verschossen wie zarte Tapen vom Sonnenlicht. Gaffa spielt körnigen Bilderpop. Aber das sind Punks.

Irgendwo zwischen «alles ohne Lohn», «zeitaufwendig», «kontinuierlich seit 2016», «pro Heft eine thematische Klammer» und «verdammt viel Spass», höre ich still sowas wie: Fuck your concept.

Klare Schnittmuster näht man für Kunden. Durchs Gaffa zieht sich der blosse Fadenschlag und darunter kommt ein ganzer Haufen ins Schwingen – Lamborghini, Luxus, Licht u.v a. – zeitgenössische Insignien im Hosenlupf. Und die Ernsthaftigkeit gehört als erstes mit dem Rücken ins Sägemehl.

«Manchmal finden wir nicht alles gleich lustig, gerade wenn es um Politisches geht. Dann gibt es schon Diskussionen untereinander. Persönlich finde ich aber, man sollte sich auch gut etwas erlauben – es geht dabei schliesslich um Haltung.»

Dario lacht viel während unseres Gesprächs, dann muss er aber kurz Pause machen – die Polizei will irgendwie in sein Atelier.

«Bist du noch dran?», «Ja klar, du, kommen die wegen Karin Keller Kop Killer?», frage ich. Gaffa hat eines der mittlerweile 44 Heftchen speziell der FDP gewidmet und in der aktuellen Ausgabe wird auf ihre Bundesrätin angespielt, alliterarisch mit dem Klan vermählt. Es geht auch subversive Überidentifikation – Fetisch, der Urgrossvater unseres spätmodernen Surrealismus. Ornitologie ist auch immer mal wieder Thema.

«Nein, nein, da war eine andere Geschichte, draussen, eine handgreifliche Konfliktbewältigung irgendwie – das hatte nichts mit uns zu tun.», sagt Dario, geladen als Zeuge.

Ohnehin klingt er eher vom Schlag, der das Bubentrickli dem Slapshot vorzieht, den Heber dem Volley. Schalk schlägt die Schramme – vielleicht trotzdem sowas wie ein Konzept für das Gaffa Magazin? (Und warum nicht mal ein Hockeyheft?)

«Mit dem Werkbeitrag der Stadt Sankt Gallen sind wir zu viert schön in die Retraite nach Frankreich gefahren und haben uns gut gegönnt. Inspiration heisst schliesslich auch Rosé.»

Schon klar und Lavendel riecht süsser als Labour, auf der Domain gaffa.world flimmert auch ein Rest Situationismus. Und das Heft ist Flux, ein gedrucktes Splitterchen Irrationalität im Scherbenhaufen der hauptstromzerschlagenen Spiegelkugel des digitalen Bildermeers.

Dario hat in Bern studiert und arbeitet jetzt hier. Zwei seiner Mitherausgeber sind an der HKB, aber eigentlich stammen alle aus dem Osten. Sankt Gallen, wie erwähnt – Gaffa kommt von Gülle. Kleben tut das auch an den Sandsteinlauben – und sowieso liegt unter jedem Pflaster derselbe Strand.

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