Konserven, Kontext, Konzerte. KSB schreibt monatlich über Musik und Pop entlang dem schönsten Irrtum der Welt.
Einen Liebesbrief wollte ich schreiben. Es ist keiner geworden. Denn meine persönliche Bewunderung kann kaum relevanter sein als das, worüber ich berichten darf: Rea Dubachs neue Musik. Ihr neustes Werk gibt es auf Platte, wie alle, die Teil sind des von BlauBlau Records initiierten Zyklus namens «What We Talk About When We Talk About Love»: dreizehn Exklusivitäten, eine pro Monat. Der August gehört Rea. Mit dem Finger auf dem Lautstärkeregler steige ich ein. Ein Schiffshorn nähert sich, bis der Ton satt auf mich draufhockt. Ich stelle leiser. Wusste ich es doch. Wenn Rea mischt und mastert, spielt sie keine komprimierten Würste, sondern Fischskelette heraus. Sie lässt es gefährlich laut werden, um noch im selben Stück kaum hörbare Geräusche das sein zu lassen, was sie eben sind: kaum hörbare Geräusche. Das Schiffshorn holt Luft und pustet geschichtete Töne, voll und ganz. Reden wir von einem Akkordeon, wenn wir von Reas neuer Musik reden? Ich will es glauben. 16 Minuten und 39 Sekunden lang atmen wir zusammen. Die Frequenzen flimmern auf dem ganzen Spektrum, mit einem Turm auf zirka 45 Hertz. «Kannon», Akt eins. «As she follows dragonflies» heisst der zweite und hat schon begonnen, da höre ich noch nichts. Also rauf mit dem Volumen und da flattert, knistert, wühlt es. Das Instrument ertönt rechts im Lautsprecher, während links presque rien passiert. Schwebungen geschehen in einem Raum, der alles sein könnte, nur nicht steril. Dort hat sich Rea mit dieser Grande Dame von Akkordeon unterhalten. Bis sie das hörte, was sie auf Platte haben wollte. Der letzte Akt, «I lift my seven veils», ist versöhnlich, bläht sich auf in Schönheit, wie ein Orchester, das sich bereit stimmt für den Auftritt und es dann einfach dabei belässt. Am Ende sticht einer heraus: der Ton auf etwa 1740 Hertz. Er flimmert ein Solo, bis ihn die untere Oktave ergänzt. Gemeinsam schwellen sie ab, der Hohe züngelt noch etwas weiter. Ich stelle lauter. Aber da ist nichts mehr.
«What We Talk About: REA» ist als Teil der Serie «What We Talk About When We Talk About Love» am 13. August auf BlauBlau Records erschienen. Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Septemberausgabe des KSB Kulturmagazins.