So weit sei es ja gar nicht, meinte X, mit Velo und Kater von Brenzikofen nach Hause, 38 Grad: Die Luft flirrte und die Landschaft fühlte sich vor Staub gelb an. In Münsingen dachte ich kurz an Kapitulation und wurde überredet, in Ostermundigen waren wir schon fast daheim. Die Belohnung der Reise, das hatten wir vor Muri ausgemacht, war eine Einkehr bei unserem liebsten Laden in Ostermundigen mit dem schönen Namen «N’ice Cream»: die Antithese zur Gelateria di Berna.
Vom N’ice Cream gibt es in Ostermundigen zwei, eines im Zentrum an der Bernstrasse, und ein zweites weiter hinten, nach der Reimal-Brocki, Richtung Wittigkofen. Eines hellblau und eines rosa, wie zwei italienische Kinder. Das rosane ist mir lieber; es liegt im Wohngebiet zwischen Vorgärten, weissen Fassaden und kleinen Fenstern, die das Gefühl spiegeln, das sich beim Betreten des Ladens einstellt: Willkommen in Suburbia. Fast alles ist Plastik, weiss mit Highlights im Spektrum Pink, und draussen einige lustig kontrastierende Palmengewächse. Es gibt eine Glacetheke, sogar mit dieser hellblauen Sorte, die in Italien «Puffo» heisst. Auf der etwas schludrig lektorierten Speisekarte ausserdem auch Waffeln, Frappées und ein Kombiangebot Crêpe+Sirup.
Draussen war die Terrasse von der Sonne grell erhitzt und drinnen die Klimaanlage kaputt. So sassen wir vor violett und rosa und gelb wabernden Wänden auf pinken Plastikstühlen, voller Schmutz und Schweiss, assen stumm ein Crêpe und fühlten uns fehl am Platz. Ich schwitzend wie noch nie, tropfte schon auf den Tisch, und X mit Hennattattoo und etwas weniger schwitzend. Hinter uns ein Bauarbeiter, der vom Besitzer rein gerufen worden war; die beiden sassen am einzigen anderen besetzten Tisch und unterhielten sich: über das Klima. Weil es heiss war, wahnsinnig heiss, der Glacechef lud den Bauarbeiter zu einem Coupe aufs Haus ein und lobte überschwänglich seine Arbeit. Wie das sei mit dem Pinkeln, man sollte ja viel trinken bei der Hitze. Und der Bauarbeiter sagte, er trinke sechs Liter Wasser am Tag und müsse nie pinkeln, und darauf der Glacechef: Aha! Aber wenn du musst, dann kannst du bei uns, immer!
Der Bauarbeiter sagte nicht viel und ass sein Coupe mit Haselnuss und Schokolade, und der Glacechef sagte: Das mit dem Klima, es sei wahnsinnig. Und es sei ja nun nicht klar, ob der Klimawandel menschgemacht sei oder nicht, aber ihm sei das im Grunde egal, denn dass man Sorge tragen müsse, zur Natur, zu den Menschen, zu den Tieren, das sei für ihn sonnenklar. Schon immer gewesen. Und der Bauarbeiter sagte, hm, ja.
Derweil stellte uns die nette Frau von der Glacetheke ungefragt einen Krug Sirup auf den Tisch, ebenfalls aufs Haus, und aus Mitleid wohl. Wir waren dankbar. Aber wir zahlten bald, nachdem wir fertig gegessen hatten und liessen den vollgeschwitzten Tisch zurück. Da lag er nun, unser Kater.
Vor ein paar Tagen bin ich noch einmal beim rosa N’ice Cream vorbei, als letzter Akt des Sommers vielleicht. Neben der Reimal-Brocki stieg ein Fest, auf dem Parkplatz von Hess Motors, Elvis-Presley-Imitator Peter Müller presste sich durchs Heartbreak Hotel, es gab Bratwurst und eine Handvoll Leute, die Elvis wahrscheinlich ganz gern mögen. Die Terrasse war diesmal angenehm kühl, das Plastikeis beim Eingang ragte im harten Nachmittagslicht bunt vor dunkelgrauem Himmel. Zwei junge Frauen sassen am Nebentisch und ein Hund vor der Terrassentür. Das ist er wohl jetzt, dieser Herbst. Obwohl der Sommer in Ostermundigen länger dauert als in Bern: N’ice Cream macht erst im Januar Winterpause.