Insta/nofilter: Am späten Wochenende

Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).

Zwei Meter unter Tage stecken wir in diesem Keller auf der Falkenhöhe fest. Es ist «immer am Achten» im Schwobhaus, die monatliche Veranstaltungsreihe und an diesem Samstagabend ist es sternhagelvoll da. Wir kommen kaum zwei Schritte in den Stollen hinein.

Rapperin Orakle Ngoy aus der Demokratischen Republik Kongo ist am Dampf ablassen und hat mit der in Bern ansässigen Dj Natur_E  aka Sarah-Elena Müller ein so potentes Live-Backup an Keyboard und Drum machine im Rücken, dass man kurz wieder dem Underground glaubt. Und dann tönt die Anlage erst noch gut: Bässe ballern angenehm satt und die Stimme drückt perfekt auf den Mitten durch das Synthgelage. Von Tieftongerumpel sich addierender Langwellen oder schneidend ausreissenden Höhen keine Spur und das in einem Gewölbekeller aus Beton.

Nichts fällt schwer.

Wäre man an diesen Orten schon gewesen, man wähnte sich in Brooklyn oder Maputo, Berlin – Kinshasa. Eine mögliche, junge Welt rückt zusammen, wenn Orakle Ngoy – als eine der ganz wenigen Frauen im kongolesischen Rap – die Ellenbogen ausfährt. Gegen Diskriminierung, Gewalt und den ganzen Scheiss. Ihr Charisma grundiert meine bleiche Seele in einem kräftigen Grundton von Selbstvertrauen. Endorphine schiessen ein und ich erwisch mich dabei, mich in ihre Schutzhaft zu wünschen, in ihren Schatten.

Eine neue Welt muss her.

Später und zwei Strassen tiefer zitiert Frau Galizia schöne Gedanken zur Verklärung von Reinheit: «Immer alle Schuld exorzieren ist katholisch.» Ein Dj spielt Drum and Bass-Platten – Heilige Mutter Gottes – der Raum ist dicht von Rauch, tanzende Winterjacken und Bierfahnen. Ein voller Tanzboden ist kollektive Beschmutzung, wie gut uns das gefällt.

Eine Nacht in trockenen Tüchern.
Den ganzen Sonntag im Bett mit offenen Büchern.

Und am Abend nochmals auf die Gasse, im bee-flat wartet die improvisierte Zaubermusik der Puts Marie: in Pailletten gehüllte Flötensätze, von Zerrgeräten eingeschrumpfte Engelsstimmen, Ledergurte mit ausgestanzten Kühen, eine angefressene italienische Orgel – Schlagzeuge, Spielzeug.

Eine abgesprengte Gitarre.
Eine eingesprengte Bassgitarre.

Zehn Hände und fünf Herzen klopfen und dengeln Rohstoff, wo sonst Lieder sind, aus ihren Instrumenten – das Hintergrundrauschen ihrer Alben kondensiert hier zu einer Wolke, uns in einen wattigen Pulk an Assoziationen zu hüllen. Zwischen aufleuchtenden Verstärkerröhren und kaputten Kleidern. Zwischen Gedeih und Verderb.

Als das Rauschen aus den Lautsprechern abebbt, zieht draussen gerade der Sturm auf. Dass uns der Wind noch glücklich heimstosse.