Insta/nofilter: Fossilienfund in der Aarbergergasse

Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).

Die Woche noch blutjung, schon geht’s los – Montag, City Pub, Hailu Mergia. Und heilandsack erst finde ich den Eingang nicht, direkt vom Küchentisch mit Jurassica, Schwab und Fischer in diesen Kino, aber wo, der ist doch schon lange tot. So lange wie diese versteinerten Schnecken, von der Faltung an die Oberfläche gebrochen. Hailu Mergia und seine zwei Boys sind am Leben und wie – in einem eineinhalbstündigen Set ballern sie durch Ragtime, Swing, Bop, Offbeat, diese eine Ethio-Psychedelik und was weiss der Teufel noch – also viel mehr organische Zeitkapseln diese Brüder, als brüchige Mineralien, oder hüftsteife Dinosaurier (wie dem Museum des Rockzirkus der alten Männer zu genüge entflohen).

Das Licht im Saal ist bernsteinern und Hailu, der Taxifahrer, drückt die blaue Note – gestern noch Tscharniblues II im Rex mit Tränen, und jetzt das. Es ist wieder zum Weinen, aber heute nur vor Freude. Am Schlagzeug dämmert mir nichts. Zu verworren, zu eklektisch – zu virtuos. Aus der Bassbox federt ein Schelm an den Saiten und Mergia verschluckt Akorde an den Tasten, wie es sonst keiner darf. Denn im gleichen Zug verschlucken sich auch postkoloniale Ängste als Rezipient. Was ist Appropriation, was Anbiederung, was darf, was nicht? Scheisst drauf Leute, loslassen. Irritatiosmomente brauchen Raum – wie die alle 40 Sekunden aufleuchtende Digitaluhr des Drummers, wie diese queren Harmonien, dieses Sammelsurium an Funkiness, welches da zwirbelt und verheddert. Groove ist die Forelle der prosperierenden Vielfätigkeit, die ging Mitte der Siebziger in Swinging Addis hops (Ane hat berichtet), aber ihr Gegenwert ist nicht zu töten – es ist Reichtum (egal was Adorno sagte).

So und jetzt schlafen, morgen früh wieder Lastwagen fahren.