Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).
Samstagnachmittag, vier Meter über Parkplatz, der alte Neoplan-Linienbus erwacht zum dritten Leben – elfkommaneun Liter Hubraum bleiben still, dafür donnerts in der Passagierkabine. Das Schwesterradio hält Einzug, Radio Bollwerk ON AIR: GUY, S S S S, Kia Mann und Nitrate testen den Hochsitz auf dessen Stabilität. Draussen tobt der Sturm, drinnen maschineller House, Basswülste, scheppernde Mitten wie bei zwölf Beaufort in der Kombüse und in den Wellentälern schimmert kryptischer Pop auf den Resten der Schaumkronen – alles hält und die Fahrertüre steht offen.
Unten auf dem aufgeschürften Platz retten junge Zimmerleute Stichsägen und Nagelpistolen ans Trockene. Sturzbäche fallen von Zeltblachen und waschen aufgetürmten Holzpaletten den Glitzer vom Vortag runter. Über den brandnarbigen Asphalt fliesst violette Farbe Richtung Senkloch. Der Regen prügelt einen kriechenden Heliumballon – hör doch auf, der ist schon am Boden!
Hinten brechen Touristen aus kondensierten Reisecars und werden hilflos angespült, in öligen Pelerinen stehen sie bis zu den Knöcheln im Widerwasser dieses Anti-Strands.
Schützenmatte, oh du heilige Heterotopie!
Angeschissene Silos am Horizont mit ausgefrästen Luken. Eine Geisterküche ventiliert durch ein Heugebläse und es riecht als rülpste ein Riese nach dem Essen beim Asiaten durch einen Schnorchel – Gäste hat es keine, aber schwerer Rauch, der aus einer Feuerschale am Eisenbahnviadukt hochklettert und hängen bleibt. Unter dunklen Kapuzen hervor recken Hände Stoff in Plastiktütchen – Taler, Taler du musst wandern – sonst ist kaum eine Haut mehr zu sehen. In der Pfütze beim Basketballkorb schaukelt das braunorangene Restleder eines abgegriffenen SPALDINGs.
Exhumierte Karossen aus den Fünfzigern, Verrückte haben sie angeschleppt aus umliegenden Wäldern, bauen Bars aus Bauers Sondermüll, dann Container stapeln und aneinanderschweissen und tierfreier Fast Food frittieren und kommerzfreie Klubmusik abspielen – Zeitgeistfreier und Selbstausbeuter – alles nur Liedschatten. Hört ihr nachts nie hin? Die Schützenmatte lacht sich ins Fäustchen, hat schon längst ihren Eigensinn. Unbelehrbar und renitent – wir können alle noch lange üben – die Schützenmatte ist schützenswert, weil im Kern ist sie aufwertungsresistent.
Samstagabend, vier Meter über Parkplatz, Roberto sitzt am Steuer und tritt das gelähmte Gaspedal durch im alten NEOPLAN, Kia Mann steht an der Reling und raucht eine dünne Vogue in den Wind. Der Sturm zieht ab – doch die Schützenmatte könnte uns fressen, wann immer sie denn wollte.