Die Brasserie in der Lorraine zeigt, wie man das macht in diesem nassen Sommer: nicht zu viel wollen und nicht zu viel anschleppen, nicht zu früh posaunen – zwei Lautsprecherlein stehen da und dazwischen bringen leise Menschen ihre Instrumente auf Betriebstemperatur. Der Garten ist voll und die Biere kommen in grossen Humpen angeflogen und der Regen bleibt für einmal in den Wolken. Das Glück der Nonchalance – unmöglich, sich davon etwas abzuschauen, ohne es im selben Moment zu vernichten.
Frederik heisst das Quintett. Es hat schöne Popsongs mitgebracht und spielt auf dem Teppich ein kurzes Konzert. Bass und Schlagzeug, bedächtig am Plan, auch musikalisch nicht zu viel anzuschleppen und zu posaunen, sehr funktional, architektonisch, wenn man so will. Ein Synthesizer als gefrorene Luftorgel, eine Elektro-Gitarre ohne Heldentum für die Texturen. Und der Sänger und Songschreiber hat seine Schrummelgitarre um den Hals und offene Akkorde im Sinn. Er setzt seine Texttupfer so, als schaute er über den Zaun des Biergartens hinweg auf ein nordisch belichtetes Panorama: Fotografien mit viel Grün und einem bewegten, hohen Himmel, Schottland könnte man sich vorstellen, zehn Jahre her oder mehr, flüchtige Liebe, aber auf ewig. Und Wasser, das immer hin und her fliegt zwischen Bucht und Böen und sich auf der Haut sammelt.
Die Band spielt das ohne dynamisches Wollen, das Konzert bleibt von expressiven Ausbrüchen ganz verschont. Das geht soweit, dass man fast vergisst, dass da jemand für einen spielt und nicht einfach so, was ein angenehmes Gefühl ist, müd und lau und dezent melancholisch, nicht depressiv. «Mood» sagt jemand im Publikum ohne bösen Hintergedanken und hinterher muss man aufpassen, dass man sich im Internet nicht ein paar neue Birkenstöcke ausguckt.
Das Debütalbum «Portraits» von Frederik ist 2021 auf dem dänischen Label Visage Copenhagen erschienen.
Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäbs kein Morgen.