Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).
Reich. Wilhelm mit Vornamen. Ein Ausflug in eine der seltsameren wissenschaftshistorischen Epochen, als die Psychoanalyse sich noch als die bessere (soll man sagen: humanere?) Naturwissenschaft verstand. Reich fabulierte sich eine eigene Welttheorie zusammen, die auf der Befreiung der Sexualität und auf einer von niemand ausser ihm – auch Einstein hat’s versucht – dingfest zu machenden «primordialen» Lebensenergie namens Orgon basierte (die sich, glaubte er, zum Beispiel im Blau erregter Frösche manifestiere). Und er baute Orgonakkumulatoren, energetisch verspiegelte Kisten, die in rudimentärer Form nun auch in der Stadtgalerie stehen, von Ivan Mitrovic rekonstruiert. Man kann sie ausprobieren, der Veranstalter übernimmt mutmasslich keine Haftung in Sachen Risiken und Nebenwirkungen.
Die Assoziation mit dem seit Reichs aktiven Jahren ja nur immer weiter galoppierenden Kapitalismus ist natürlich ein wenig geschenkt, wie ja auch die schönen Taschen, in denen man neu erworbenes Luxuszeugs heimträgt. Dass sie nun als sehr dekorative Installation an den Wänden der Stadtgalerie hängen, ist zwar hübsch anzusehen, aber wirklich erhellend ist es nicht. Es mochte an der Tagesform liegen, aber man wusste am Ende nicht so recht, worum sich das alles dreht. Dem Künstler wird es weiter nichts ausmachen, dachte man.
Also weiter in die Dampfzentrale. Da geht es dieses Wochenende nämlich auch um Kuben, in denen Energien gesammelt werden können, bestenfalls. White Cube heisst ein Minifestival, das Musik und Raum auf unvermutete Weise in Verbindung bringt.
Das nur durch den Hintereingang zugängliche Kesselhaus war zwar nicht ganz weiss getüncht, aber als Akkumulator funktionierte es trotzdem bestens, zum Auftakt mit Till Hilbrecht und Florian Bürki und ihren Colliding (Sound)Fields. Ein dunkles, schwer in den Bässen hängendes Set, das sich am Schluss zu lauter Licht auflöste. Reiche Beute.
Morgen weiter im Programm: Phill Niblock, der leider grad einen Herzschrittmacher verpasst bekommen hat in Berlin und deshalb nicht nach Bern kommt, auf Anraten seiner Ärzte. Sein Set inklusive Projektionen wird Freitag abend trotzdem zu erleben sein. Es heisst, das sei ein Erlebnis, so oder so. Und am Sonntag den Abschluss der vierteiligen gemeinsam von Schlachthaus und Dampfzentrale ausgerichteten Gesprächsreihe zu Frauen im Theater – und die Frage nach «genderfreien Zonen: Gibt es ein Entkommen aus zweigeschlechtlichen Zuschreibungen?»