Sturm. So wird einem wenn man sich morgens nach dem ersten Kaffee die neu erscheinende EP von Michael Haudenschilds Krosmo zu Gemüte führt.
Ausgangspunkt dieser Produktion ist ein dritteltönig gestimmter Flügel aus dem Nachlass des französischen Komponisten Jean-Etienne Marie. Die harmonische Farbpalette wird damit um zahllose Blautöne erweitert und bekannte Klangbilder aufs Schönste verwischt. Eine Herkulesaufgabe ist das für die Band. Weder das Tenorsaxophon noch der Kontrabass sind für solche Stimmungen konzipiert worden. Die Herren Huber und Traxel mussten sich und ihr Instrument folglich gänzlich neu beleuchten um dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Black Ice heisst der Opener. Ein humanoider Arpeggiator in 9, Stockers Besenarbeit unterstützend, die Glocken polyrythmisch drunter wie drüber. Da schmilzt das Eis bereits und man wähnt sich in einem afrikanischen Fiebertraum. Huber am Saxophon mimt darüber den einsamen Pygmäen.
Nicht weniger südlich anzusiedeln ist der zweite Track.
«Ayahuasca». Ob reine Fantasie oder komponierte Erinnerung – egal – vor unserem inneren Auge Trugbilder, schöne und weniger schöne, der Körper mal Spiel-, mal Stolperball.
Es folgt ein arktisches Märchen. Hier wähnt man sich am ehesten im J*** und vielleicht bleibt der Track auch deshalb etwas blass. In allzu gängigem Timespiel, solistischen Ausformulierungen und stiltypischem Interplay vermag diese Band nicht ganz abzuheben.
Glücklicherweise stellt sich im anschliessenden «Prélude» die bekannte schummrige Traumwelt auch schon wieder ein. In spätromantischer Manier hangelt sich Haudenschild mit Drittelsschritten von Farbe zu Farbe, Huber stimmt die Hymne an bevor alles zerfällt. Ein mikrotonales Meisterstück.
Was jetzt noch bleibt, ist ein energetischer Weckruf in ungerade, der sich selbst auflöst und in einen verwaschenen Blues mündet. Der gesunde Bitz Humor, anständig kurz. Perpetuum Mobile heisst’s. Fair enough.
Hut ab vor diesem Werk. Krosmo besticht durch kompositorische Stringenz, einem sorgsam austarierten Klangbild und auch wenn die mikrotonale Herausforderung manchmal den Ausdruck etwas zu bremsen scheint, trumpft doch jeder der vier Musiker immer wieder mit Einfällen auf, welche die Stücke beseelen, den Zuhörer aus sturmen Träumen wecken und aktiv am Ball bleiben lassen.
Krosmo ist morgen Donnerstag bei Bejazz zu hören. Aus rein logistischen Gründen ist die Welt mit diesem Projekt tourend kaum zu erobern. Umso mehr empfiehlt sich ein Besuch dieses Konzerts!