Galizia: Was nehmen sich Weisse von der Schwarzen Kultur? Everything but the burden, hat der US-amerikanische Musikjournalist und Godfather of Hip-Hop Journalism Greg Tate geschrieben, der vor zwei Jahren zu früh gestorben ist. Ausgehend von diesem Gedanken setzt sich Joana Tischkau in einer Choreographie mit dem weissen Begehren nach Schwarzer Ausdrucksform, mit Träumen, Konsum und Verführung im Rap und anderswo auseinander: Being Pink Ain’t Easy, Freitag und Samstag im Schlachthaus, jeweils 20 Uhr.
Mahalia Haberthür: Das ist ein Loveletter auf einem Longpape, schnelle Schrift, träges Papier. CASUAL GABBERZ RECORDS Schnell über 160 BPMs. Frapcore, Hardcore, Gabber, Hardtrance, mal Dubstep, mal Psy. Harte Musik aus den 90ern mit Cloudrap oder Klassik gemischt. «Wenn Chopin mit Hardcore geht, geht auch Disco mit Gabber», beantwortet Paul Seul eine Interviewfrage zu Genrefluidität. Wenig mehr als zehn Jahre ist es her, dass Casual Gabberz in Paris zum ersten Mal ein Nische-Publikum zudröhnten. Zum Jubiläum fragt ein schlafloser Gabber Eleganza auf Social Media, ob der 12. Januar eigentlich französischer Nationalfeiertag sei. Ich verstehe diese Frage. Vier Jahre und eine breit wachsende Reichweite später, 2017. Casual Gabberz Records erwacht mit «Inutile de fuir» zum grellen Leben, kein Grund, jetzt wegzurennen. Eine 51-teilige Kompilation, das Manifest. Evil Grimace, Krampf, Paul Seul, Von Bikräv, Aprile, Boe Strummer, Aamourocean lassen hier Hardcore-Synthetik frei. Im Dezember des gleichen Jahres erscheint die erste Volume der «Meilleurs Voeux», mit besten Wünschen der Kern-Crew. Solo-EPs reihen sich an, immer mit Remixes und Features der ganzen Gang. Zwei Jahre später, dritte «Meilleurs Voeux», nun mixt Clubkelly mit, heute mit Hardtrance-Hymnen nicht mehr aus der «compagnie k hole» wegzuhören. Parallel pairen sich ausserhalb von Casual Gabberz Records Goth-Pop-Sängerin Mathilde Fernandez und Paul Seul progressiv und ätherisch zu Ascendent Vierge und dem Debutalbum «Vierge». Dezember 2020, «Mes Larmes», Tränen verbreiten sich wie ein Virus, bebender Old-School-Gabber und Evil Grimace. Der Boiler-Room-Stream vollbepackt mit Onlykillers aus «Mes Larmes» wird 949.776-mal angeschaut, 176 Klicks von mir. Weitere Ausstrahlungen mit den Gabberz über Kiosk Radio, TEP, Usure und Hör. Dann Dezember ’22 die sechste Edition «Meilleurs Voeux». Nun releast auch Claude Murder auf Casual Gabberz Records. Auf den Merch und die EP warten Lovers lange, Casual Gabberz bewerfen sich selbst mit virtuellen Tomaten und nennen für die grosse Lieferverzögerung einleuchtende Gründe wie launische Lieferanten und Delta-Varianten, einen prekären Brexit oder «Schurken, die den Aktienmarkt beherrschen».
Die Schrift auf dem Longpape zu schnell, unleserlich, daher zur Tüte gedreht. Anzünden, ziehen, ein Raum voll mit Haze und ich wünsche mir Hardcoer will never die but we will, am 28. April 2023. Die Casual Gabberz zurück in Bern, Perimeter-Takeover, Dachstock, Kapitel Bollwerk. Sie bringen Hardcore mit und nach «Inutile de fuir» den zweiten Film, «Hard <3». Hardcoeur wird als Schweizer Premiere zusammen mit «Inutile de fuir» im Dachstock ausgestrahlt. FILM INUTILE DE FUIR (2017) Eine EP und ihr Film, «Inutile de Fuir» das Manifest Schwarz-Weiss, durchdringend wie die Musik selbst. Vandermost und Windräder kommen drohend näher, der Zoom so schwer, Vertigo, Vertigo. Über einem GTA-Archipel stürzt die flügellose Luftwaffe rauchend und endlos zu Boden, globale Euphorie und Hakken zu Strobo und Slo-Mo. Einsamer Friedhof, Grabstein, Gedenken an 3 Steps ahead, 20 Jahre rum seit Peter-Paul Pigmans’ Tod, good old «Gabbertimes». Trost suchen im Fussballstadion, die Stimmung wird heller. Wieso? Wieso Paris, Paris? «Das (Fussballparolen) war im Early Hardcore sehr präsent, lustig, dieses Element in die aktuelle Zeit zu nehmen. Dann gibt es da irgendwie eine Parallele zwischen der Euphorie im Stadion und die im Club» Von Bikräv. Mehr vom Rave, Krampf nimmt viel auf und wird später den Ton mastern. Viele Songs der EP «Inutile de Fuir» gehört, oft dazu den Raum verloren. Das Ende, Claude Murder tanzt zu «Sorry» von Krampf oder Justin Bieber und das Windrad vergisst seinen Zorn. FILM TEASER HARD<3 (2022) «Hard <3», Hardcoeur, fünf Jahre später. Wie so Manches gezeichnet von einer zerrenden Pandemie, grosser sozialer Aufruhr in Frankreich, damals und jetzt. Existenzielle Fragen stellen, wie weitermachen und weitermachen. Kevin Elamrani-Lince führt mit seiner Kamera drei Jahre lang durch Europa, den Fokus auf ohnmächtigen Outputs der Gabberz-Gruppe und dem umarmenden Austausch untereinander. Film noir, Distopie, Kampfansagen, die Hitze aus «Inutlie de fuir» ist stärker zurück.
PLAYLIST DES GABBERZ eat the rich und dazu über die wireless-weissen In-Ear-Kopfhörer das hier: Paul Seul – Je Sais Pas Cosplay am Medieval-Festival, sterbend Von Bikräv – Jean-Philippe Smet Alles niedermähen, keine*r wird verletzt Evil Grimace – J’attends La Pluie Grosses Stück einer grossen EP Butter Bullets – Alexander Shulgin Autotune-Overload entwickelt sich zum Hit Boe Strummer x Maudit – Chanter pour Ceux Der Outdoor-Rave verregnet, allen egal Aamourocean – Parmi les Mortels Die Prise Psy, die alle vertragen Clubkelly – i won’t ever love you back Füll die Void mit so was wie Hardtrance KRAMPF – Welcome Everybody, Welcome To This Moment Bladerunner goes Thunderdome TDJ – Nana Rave to the grave!
Schwab: Und auf einen schrägen Bogen Popmusik im Kino Rex, wo am Freitag Danimka (Team Dampf) mit breitem Spürsinn fürs Jetzt am Kinofoyer-Tresen sitzt. «Rextone», 22:30 bis spät.
Urs Rihs: Blackhole Estate, Samstag und Sonntag, Improvisationsfestival im Liebefeld: weil Schwarze Löcher die kosmischen Schaumbesen sind, die radikalsten Zuckerstreuer, Pfeffermühlen – die integralen Chaospumpen des Universums. Samstag ab 15:00, Sonntag ab 16:00 Uhr.
In eigener Sache: Bar Regula wieder und zwar diesen Freitag. Die Lieblings So Beast aus Bologna taufen «Brilla», Kara Delik sagen dazu «İyi akşamlar» und hopp. Interessierte informieren sich hier.