Kulturbeutel #214

ADHD

Weiterhin Rössligeburtstag! Heute mit Spitzlichtern auf der Ecke «zuviel Talent, zu wenig Kohle. Und durch den Boden meines Renault Kangoo sehe ich auf die nackte Autobahn» — oder ein Dienstagsprogramm wie firsch gepflückte Meertrauben, sind schon Wein. Mit Bueno White aus Brüssel. Bueno? Das ist vielleicht TG Gondards avatar vaporeux, melodieux im halbtrockenen Schlamm. Pinot bianco. Danach geht der Le Renard aus Strassbourg um, er möchte etwas reissen, hat er doch die schönsten Zähne Ostfrankreichs. «Das Versenken von Resthoffnungen auf heile Welten». Und im Abgang nichtzuletzt Die Fermentierten, womöglich die landläufig beste Kreuzung aus Jazzkönnen und Metallieben, Endstufe Endstufe, avanti und frei. All das und heilende Getränke heute ab 20 Uhr im Rössli der Reit. An gleicher Stätte übrigens, ebenfalls aus Geburtstagesgründen: Die erstaunliche Band Ratc aus Bern, dannach droht der heillose Abschlusswahnsinn dieser Festivitäten. Donnerstag ab 20 Uhr bis nächsten Morgndasdfadf um 11 Uhr.

Dass Heilung ein problematisches Wort sein kann, weiss Dimitri Grünig. Er liest aus seinem Buch «Aber schwul bin ich immer noch» (Edition Clandestin), das sich mit Homosexualität und Glaube beschäftigt — und einem nicht allzu fernen, zum Beispiel evangelikalen Milieu, in dem auch heute noch sogenannte Konversionstherapien durchgeführt werden. Im Anschluss auf ein Wort mit Roland Weber, der selbst einmal versucht hat, «sein Schwulsein zu ‹heilen›», seine Homosexualität aber heute als evangelikaler Christ selbstbewusst leben möchte. Leuchtende Graustufen auf der Regenbogenfahne. Morgen Mittwoch ab 19 Uhr bei Queer Books an der Herrengasse 30. Begleitend dazu empfehlen wir die Lektüre dieses Gedichts. Is it cold in the water.

Dune ist überall. Auch im Kopf von Alejandro Jodorowsky hat Frank Herberts Sci-Fi-Stoff gewuchert, ein angeblich telefonbuchdickes Skript soll davon zeugen. Realisiert wurde der Film dann nie. Dokumentarisch aufgearbeitet hat diese wunderbar unvollendete Geschichte der Filmer Frank Pavich, dessen «Jodorowsky’s Dune» von 2013 am Mittwoch wieder auf der Leinwand zu sehen ist. Kino Lichtspiel, 20 Uhr.

Das Musikbüro Hush Hush beschert uns die Band Haze’Evot הזאבות aus Israel, wir hören emanzipatorische Ideale (auch) auf hebräisch, hören die schlechtgelaunten Gitarren auf aufgekratzten Punkrockdiscobeats schleifen. Kurz anhalten, aushalten und ein Grüppchen Verstärker:innen auf 9 drehen lassen. Donnerstag ab 21 Uhr im Café Kairo.

Etwa zur gleichen Zeit, irgendwo, vermutlich im Dunkeln: Stuber & Goalie haben ein Tape, sie feiern das. Mehr Infos in den Büschen, auf den Strassen, zwischen den Gleisen — Verlorenheit und Aufgehobensein in Bern City. Los eifach zue.

Am Bollwerk so: Kalte Wellen Spezial im Soso. Plague Pits aus Bern und Isolationsgemeinschaft aus Ouest-Berlin bieten Paroli, auch Kellerasseln machen das. «Cold wave for a heating planet.» Was können uns die Achtzigerjahre heute noch? Donnerstag ab 21 Uhr im Space, Freitag Samstag Sonntag dann R3SiiD3 Festival im Kapitel, ein Hoch auf die Kontinuitäten im Untergrund. All nights.

Undundund. Es lohnt sich auch ein Blick auf die Fahrpläne zum Beispiel in der Dampfzentrale, im Dachstock oder was bei Bee-Flat diese Woche so geht.

Schliesslich aus den eigenen Garderoben: Eine Lesempfehlung. Die aktuelle Ausgabe des «Wobei», Beilage der Wochenzeitung, fragt erfrischend untheoretisch nach einer vielstimmigen und zeitgenössischen Praxis der Liebesbeziehung. Achtzehn Menschen erzählen, wie sie lieben. Aufgezeichnet haben das David Hunziker, Caroline Baur, Lukas Tobler und Alice Galizia. Heft-Vernissage am Donnerstag ab 19 Uhr bei Paranoia City in Zürich, inklusive Lovesongs live. Andere Prosa derweil im ISC: Roy And The Devil’s Motorcycle rollen gerade so schnell, dass der Töff noch im Blei steht, Schwab tut mit. Danach Reduktion auf die nötigsten Dekorationen mit The Devils, sie kommen aus diesem verfluchten Napoli. Weiss es der Teufel, am Donnerstag ab 20:30 Uhr an der Neubrückstrasse 10, unten.