Kulturbeutel #96

Galizia empfiehlt: Es kann einem an einem gewöhnlichen Montagmorgen schon angst und bange werden, überlegt man sich auf einmal, was die Dinge um einen herum, feinsäuberlich geordnet oder auch lustig verstreut, den ganzen Tag denken und tun, ist man nicht daheim oder schaut und hört nicht genau hin. Christoph Simon, schon vor, im Speziellen aber auch während der Zeit der Seuche einer der wenigen wirklichen Lichtblicke im immer ärger werdenden Facebook-Feed, hat sich das gut überlegt. Und es ist sein Glück, hat er ein entspanntes Verhältnis zu den Dingen daheim, die er in einem heute beim ohnehin erfreulichen Berner Kleinverlag edition taberna kritika erschienenen Büchlein von ihrem gemeinsamen Leben im Haushalt erzählen lässt: Der mittlere Topf hat Komplexe gegen oben und unten, der Küchenschrank vermisst eine alte Pfanne, der Aschenbecher will sich gewerkschaftlich organisieren, ist aber allein, der Dosenöffner geht entrauscht und gewaltbereit zur Arbeit. «Die Dinge daheim»: Miniaturen über aller Gattung Unzulänglichkeiten, die eigentlich in erster Linie zeigen, wie verliebt Simon in die Menschen und ihre dummen Probleme ist, und welche Schönheit eben darin steckt. Oder wie es die Jeans, gegen ihren Lebensabend ganz im Reinen mit sich und der Welt, feststellt: «So ist das eben. Man zerfasert und zerfällt und macht einfach weiter.»

Schwab empfiehlt: Von der Beseeltheit der Dinge erzählt uns auch die längst erschienene Doppel-LP «Techno zum Foto II». Konzept: Um einen Schnappschuss des streunenden Fotografen Strobo drehen sich acht Clubtracks im Radius von Tiefgang Recordings, zirkulieren zwischen Interpretation, Impression und vielleicht nur scheinbarer Indifferenz, eine Hand ist gereicht, versehentlich ins Bild geraten, Plastikbecher und schöne, sommerliche Männerschenkel in Reebok-Classics, Schlüssel verloren, Erinnerung wiedererlangt: Viervier, Afterhour, Breakbeats – in der Bildtiefe hinterlassen ihre Notiz: Eftn, Phrex, Sképson, Lcp, der Skiclub Toggenburg, Asdf, Hendrik van Boetzelaer und nicht zuletzt Johanna Knutsson aus der grossen Stadt.

Das Ursi empfiehlt: Onomatopoesie mit Elektrobopacek am Freitag zur «Radio Bollwerk Closed Club Tour» in der Dampfzentrale, irgendwo zwischen California-Games-8-Bit-Steeldrum und terpentingetränkten 808-Tapetenfetzen. Und Ina Valeska spielt die Ouverture.

Fischer empfiehlt: Hey KSB, hast du gehört, das Kulturleben erwacht wieder nach der winterlichen Sedation. Ziemlich verwirrt alles noch, aber immerhin; die Ausstellungen gehen wieder auf. Also, Beutel back in time: Im Kunsthaus Langenthal gibt’s neue Arbeiten aller Nominierten für den Kiefer Hablitzel/Göhner Preis 2020 und vor allem Flo Kaufmanns H.o.Me. – Heim für obsolete Medien. Offen ab Mittwoch, Vernissage fällt leider aus (zumindest offiziell – psst, Samstag). Und damit das Wiederzusammenfinden für alle ein wenig leichter wird: freier Eintritt die ganze Woche!

Bild: «Techno zum Foto II», Nicu Strobo