Sie sind die Gatekeeper der heiligen Hallen, in denen Kunst stattfindet: die Kuratorinnen und Kuratoren. In einer losen Reihe geben wir Exponenten der Berner Szene das Wort, wir fragen nach ihren Räumen und wer rein darf – und wer nicht.
Chri Frautschi ist schon wieder ein bisschen ein Spezialfall. Schon seit 2006 zeigt er im Bieler Lokal-int jede Woche eine neue Position – der Raum ist so etwas wie eine Enzyklopädie der Schweizer Kunstszene. Hier darf jeder mal? Chri hat etwas gegen die Exklusivitätsmanie in der zeitgenössischen Kunst, aber so einfach ist es dann doch nicht.
Chri, kannst du dich mit dem inflationär benutzten Label «Kurator» identifizieren?
Nicht wirklich. Ich benutze das Wort eigentlich nicht zur Selbstbeschreibung. Doktor anschreiben macht Sinn damit die Kranken wissen, wo sie klingeln müssen. Ich meinerseits brauche keinen Titel, keine Berufsbezeichnung.
Was macht einen guten Kurator aus?
Dieser Begriff umfasst so viele Rollen innerhalb des Universums «Kunst». Könnte ja sein dass wenn du ein Museum leitest etwas anderes gut ist als wenn du einen selbstorganisierten Raum führst. Ich persönlich lege Wert auf Atmosphärisches. Ich will Freiraum schaffen für Künstlerinnen und Künstler und einen geselligen, unkomplizierten Begegnungsraum, der den Austausch zwischen Künstlerinnen, Publikum und der gezeigten Arbeit fördert.
Siehst du da deine anwaltschaftliche Rolle eher im Dienst der Kunst oder des Publikums?
Ich denke weder noch. Ich empfinde mich nicht als Dienstleister, ich mache das Ganze ausschliesslich für mich; weil‘s mir Spass macht. Vor dem Interesse an Publikum und der Kunst an sich kommt dann erst mal das Interesse an den Künstlerinnen und Künstlern, an ihrer Person, ihren Vorgehensweisen und Visionen.
Abdellazziz Zerrou, KEIN PROBLEM
Wie sieht der Raum aus, den du bespielen kannst?
Lokal-int befindet sich in einem Ladenlokal in der Nähe des Bahnhofes Biel. Es besteht aus einem Ausstellungsteil der ca 38m2 klein ist und einer Bar-Ecke. Durch sein grosses Schaufenster ist es von aussen her sehr gut einsehbar und mit dem öffentlichen Raum verwoben.
Was soll Platz haben in diesem Raum?
Eigentlich sollte vieles Platz haben: Experimentieren, Ausloten, Testen. Riskieren. Scheitern ist erlaubt. Lokal-int versteht sich als Spiegel des Hier und Jetzt. Bei der Auswahl der KünstlerInnen schaue ich auf eine gewisse Professionalität (was auch immer das heissen mag). Die Ausstellenden sind tendenziell eher jung. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Grundsätzlich entscheide ich eher intuitiv.
Und was nicht?
Ich ertrage Posen und Dünkel sehr schlecht.
Wie hältst du es mit dem Geschlechterverhältnis?
Das ist lustig: Diese Frage muss man in der Eingabemaske für Fördergelder des Kanton Berns auch beantworten. Da schreibe ich stets 50/50% hin. Kürzlich nahm ich mir erstmals die Mühe bei einem Jahresprogramm nachzuzählen: Es war genau 50/50%. Hat mich sehr gefreut.
Noch bis am 8. September machst du deine Vernissagen nicht im Lokal-int, sondern auf der Walser-Skulptur. Wie unterscheiden sich die beiden Orte?
Das Publikum von Lokal-int ist bereits sehr heterogen. Es vermischen sich dort Kunstinteressierte, Künstlerinnen, Freunde der Ausstellenden, Leute die die Atmosphäre lieben und das Bier. Alte, Junge, Hipsters, Hippies und Freaks. Auf der Skulptur von Thomas Hirschhorn ist das Ganze noch viel extremer: Schon die ins Projekt Integrierten kommen aus völlig verschiedenen sozialen Realitäten. Dazu kommt dass das ganze im öffentlichen Raum – auf dem Bahnhofplatz – stattfindet. Ziemlich ausserordentlich das Ganze! Kann nur wärmstens empfehlen vorbeizuschauen!
[A.d.R.: Wir auch.]