Sie sind die Gatekeeper der heiligen Hallen, in denen Kunst stattfindet: die Kuratorinnen und Kuratoren. In einer losen Reihe geben wir Exponenten der Berner Szene das Wort, wir fragen nach ihren Räumen und wer rein darf – und wer nicht.
Den Anfang macht Stefanie Marlene Wenger, die einen eher ungewöhnlichen, dafür aber umso weniger limitierten Raum bespielt: die unlängst lancierte Kunst-App NOOW, eine auf der Blockchain-Technologie basierende Plattform für digitale Kunst.
Marlene, kannst du dich mit dem inflationär benutzten Label «Kuratorin» identifizieren?
Ja, kann ich, auch wenn der Begriff in letzter Zeit eine grosse Ausweitung erfahren hat. Heute verwendet man ihn ja für alles, zum Beispiel für die Turnschuhauswahl bei einer Nike-Kollektion. Aber ich verstehe den Job nach wie vor ziemlich klassisch: Ursprünglich ging es ja darum, aus einer Sammlung auszuwählen und insofern eine «Spitze des Eisbergs» zu präsentieren. Und auswählen heisst natürlich immer auch ausschliessen: Man entscheidet auch, was nicht gezeigt wird.
Was macht eine gute Kuratorin aus?
Es geht um Kommunikationsfähigkeit, in einem weiteren Sinn: Man muss das Projekt einer Künstlerin weiterdenken können in diesem spezifischen Raum, den man zur Verfügung hat. Man muss Anknüpfungspunkte finden, muss ein tiefes Verständnis für eine Arbeit entwickeln und Möglichkeiten sehen – und vermitteln-, um sie auszuweiten, sie gewissermassen grösser zu machen.
Siehst du da deine anwaltschaftliche Rolle eher im Dienst der Kunst oder des Publikums?
Es ist ein Dazwischen, eine Vermittlerposition – es geht auf jeden Fall auch ums Kontextualisieren auf einer Metaebene, nicht einfach um das Bedienen von Erwartungshaltungen. Aber es kommt natürlich sehr darauf an, mit welchem Anspruch man an eine Ausstellung herangeht.
Wie sieht der Raum aus, den du bespielen kannst?
NOOW ist eine Verkaufsplattform für digitale Kunst, momentan in der Form einer App. Der Rahmen ist somit kommerziell, das Projekt wurde von Leuten initiiert, die nicht aus dem Kunstkontext kommen. Ich wurde aber explizit angestellt, um die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler zu besorgen und habe da im Prinzip alle Freiheiten.
Was soll Platz haben in diesem Raum?
Sehr viel. Die Auswahl soll gewissermassen repräsentativ sein dafür, was digitale Kunst sein kann: welche Tools werden benutzt, wie manifestiert sich das ästhetisch und so weiter. Es soll ein breiter Überblick sein: Glitch Art, AR, VR, AI, Found Footage, Social Media-Projekte. Es geht darum, das Feld überhaupt mal abzustecken. Wichtig ist mir, dass sich die Autorinnen der Werke als Künstler verstehen, obschon eben das in diesem Feld schwierig ist: Es gibt da viele Designer, viele Coder, überhaupt: viele Leute die kein Kunststudium absolviert haben. Was für mich auch heisst, dass man die Grenzen, was man als «repräsentable» Kunst ansieht, auch ein wenig dehnen können muss.
Und was nicht?
Reines Handwerk, ein Showing-off von Handwerk reicht mir nicht. Für mich hat digitale Kunst erst eine Relevanz wenn sie über dieses Handwerkliche hinausgeht, wenn es Referenzen und Anknüpfungen gibt hin zu einem weiteren Kunstkontext. Es ist keine einfache Aufgabe: Auf die Frage, warum man etwas aufnimmt und warum nicht, wird man sofort gestossen, vielleicht noch rascher als in klassischeren Kunst-Gefilden. Und natürlich spielt der kommerzielle Aspekt bei der Auswahl auch mit eine Rolle. Ein Werk, das in die NOOW-Auswahl kommt, muss visuell ansprechend, es muss relativ einfach vermittelbar sein.
Snow Yunxue Fu, Karst, 2019
Wie hältst du es mit dem Geschlechterverhältnis?
Die Ausgewogenheit ist mir persönlich sehr wichtig, der Anteil Künstlerinnen liegt bei der aktuellen Auswahl bei knapp 50%, dies soll auch weiterhin so bleiben, respektive auf exakt 50% steigen. Dabei fällt es – entgegen etwaiger Vorurteile – überhaupt nicht schwer, Künstlerinnen zu finden die in digitalen Medien tätig sind. Die Sensibilisierung auf Geschlechterverhältnisse und gendergerechte Sprache ist in der Tech-Start-Up Szene noch keine Selbstverständlichkeit, ich sehe meine Aufgabe auch darin, die Aufmerksamkeit auf diese Themen zu richten.
Wird es auch einen physischen Raum für die Werke geben?
Punktuell, ja. Zum Launch waren wir zu Gast in der Kate Vass Galerie in Zürich. Es ist mir ein grosses Anliegen, immer wieder im physischen Raum aufzutauchen, einen fixen Raum zu bespielen ist allerdings nicht geplant.