Saurenhorn 276
3054 Schüpfen
213.55.220.216
59˚26‘10“, 20˚89‘93“
Landregen, leichte Brise
11:24 Uhr: Erkenne Eiland am Horizont, Warnhinweise seitens Avast Secure Browser, Zustimmungsaufforderungen und AGB vernebeln die Sicht durch die Mattscheibe der Brücke. Pop-ups und Datenmüll schwimmen auf. Muss trotzdem eine Insel sein da hinten, Tab Nummer 23, die Spitzmarke ein naiver Fuchskopf «Cursor-Art» in Hellgrün – splatz.space. Versuche anzulanden.
11:39 Uhr: Defektes Ladekabel, vierminütiges Fummeln, damit Laptop wieder Strom fängt, Internetverbindung lückenhaft, erreiche gleichwohl den Strand, lasse mich anspülen. Weiteres Treibgut: vermeintlich schwache Verben wie «träumen», Substantivkisten wie «Utopie», Verweise auf Körperlichkeit und Lust. Neues Kulturmagazin im Netz: «eine nichtkommerzielle Textplattform, auf der Ideen und Arbeitsprozesse von Menschen aus verschiedenen kulturellen Disziplinen und weiteren Berufsfeldern mit Interviews und anderen Textformaten beschrieben werden.» Will lesen.
12:54 Uhr: Alles gelesen, immer wieder Hühnerhaut – dazu gebadet in Salz aus totem Meer, revitalisierend und wärmend an kalten Tage. Gespräch zwischen Benedikt Sartorius und Taimashoe aus Zürich, ursprünglich Herisau: Vielleicht die beste Avant-Garde-Pop-Künstlerin im Land, Funkenreigen im Kopf beim Durchgehen der Antworten, Interviewer der beste Musikjournalist im Land. Interview mit Elischa Heller aus Luzern, ursprünglich Willisau: Leseempfehlung für Postmoderne-Schnöder:innen. Heller, ein Feingeist mit Tatzen, wollig, aber ohne fieses Kratzen. Interview mit Literatin Ariane Koch zu ihrem bei Suhrkamp verlegten Werk «Die Aufrdrängung»: Drängt sich auf, ein Buch stehlen zu gehen (obwohl ich kaum eine Tomate stehlen kann). Dann noch, Daniela Weinmann aka Odd Beholder, Musikerin: Hat die erste Carte Blanche auf dem Splatz, Rubrik Utopia, bestimmt träumen kurzerhand neu als starkes Verb. Merke: «Ab jetzt werde ich nur noch selig geträumen haben.»
13:30 Uhr: Die Bordkatze zertritt die Formatierung, will Schmuse- und Streicheleinheit, gefolgt von kehligem Miauzen, Appellation Futter – was will man? Erbarme mich und dann zurück zur Insel. Anscheinend alles gratis, niederschwellig, fuck the paywall – klar, aber spenden bitte, ab 5.- im Monat bist du Mitglied. Tatbestand Überzeugungstäter:innen? Gestaltet und redaktionell verwaltet wird der Splatz von Benedikt Sartorius, Katharina Reidy und Meret Gschwend. Wenig zu ihren Personas, Understatement: «Es braucht nun keine nostalgischen Wehklagen. Keine Rückblicke, auch wenn es ohne Geschichtsbewusstsein und die eigene Biografie natürlich nie geht. Sondern: Rip it up and start again als positive Grundeinstellung. Weil so weiter wie früher hat ja keine Zukunft. Genau deshalb bauen wir diesen Platz hier, den wir uns krallen, füllen, wieder leeren, pflegen, mit Dir, mit mir und Ihnen.» Tatbestand bestätigt.
14:03 Uhr: Langsam Bock auf Lasagne, kochen aber eventuell kompliziert, fehlende Ingredienzen in der Kombüse, Garfield muss einen Trick kennen – Selbermachen macht feiss. Arbeit, Engagement, eine Splitter Trotz als Würze, der gut zu camouflieren bleibt hinter Qualitätsansprüchen, Vorwärtsgewandtheit und Integrität. splatz.space macht es vor, die butterschweren Béchamelzeiten des Kulturjournalismus sind passé. Ran an die eigenen Ressourcen. Selbstausbeutung konstruktiv verstanden – Selbstausbeutung könnte aber auch der Apparat sein, durch den solche Vorstellungen dekonstruiert und denaturalisiert werden. Béchamel geht auch mit Hafer; Hafer kann auch Milch sein.
14:58 Uhr: Zurück auf der Brücke, Koordinaten von splatz.space erfasst. Eigentümlich leichtes Körpergefühl auszumachen – nach langem Blindflug durch Ron-Orp-Wolken, kostenpflichtige Edelfedervolièren oder halbbatzige Neuversuche. Mit gutem Gewissen bleibt zu verlauten: Land in Sicht.
Utopien und mehr: splatz.space ist online. Gefeiert wird am 14. Mai ab 17:00 im Progr.