Im 20er-Bus Richtung Bahnhof, irgend so ein PKZ-Globus-Dandy-Arsch zu einer laufmaschigen Skandi-Schick-Ische: «Finds voll gut setzt sich der Reto Nause jetzt persönlich für den Verbleib vom Peter Flamingo auf der Grossen Schanze ein, war voll gern dort, war auch immer voll dort und voll dort», sie: «Voll und dort ist voll die schöne Aussicht und früher ging man da voll nicht hin, weil es voll asozial war da.» [so ungefähr sic]
Das alleine ist scheisstraurig genug – und ich muss fast kotzen, weil ich in dieser Terrorschaukel einer überdimensionierten Zyklopen-Handorgel auf Rädern rückwärts fahren muss – fuck. Und in der Länggasse haben sie das Fabrikool geräumt – der Materialismus der Aufwertung greift urtypisch:
Besetzer*innenkollektiv kreiert einen Begegnungsort in totem Haus, findet nach kürzester zeit Rückhalt im Quartier und wird nach knapp zwei Jahren von ins Baurecht gesetzten Kommerzeiern ausgekontert – welche den bereiteten Acker ernten werden. Ihre Idee? Irgendwas zum Kaufen – der Idealismus krepiert auf Kosten der Ware.
Mich ergreift Schüttelfrost. Und alle trauern nur um diesen Flamingo, hoffen, dass er zum Phönix wird, Mund-zu-Mund-beatmet vom Sicherheitsdirektor höchstpersönlich. Alle reden davon – auf der Post, im Denner, beim Physiotherapeuten im Wartezimmer, Reflexionskoeffizient gegen null tendierend. Lasst’s euch sagen – ihr dürstet nach nichts profanerem als Kommerz, fuck. Und darum muss dieser verdammte Vogel jetzt dran glauben. Lasst mich das Opfer bringen – zur Errettung von etwas Heiligkeit – auf dem Altar der eigentlichen Sache: der Verve unserer Stadt. Es geht um Haltung, Kultur ist schliesslich kein scheiss Paninibild. Darum raus das Messer zum Federlass!
Ein Flamingo liesse sich mit Postkarten assoziieren, zugegebenermassen, aber ich zerr das Vieh direkt in den Puff – Peter ist schuld – als Signifikat einer hochgezüchteten Exotik, die sich auf Lack und Leder reimt, auf Plüschherzen, Verputzwand in weiss, Leuchtketten und auf Plastikpalmen. Dort in der Ecke steht er oder am Fenster, in rosa – A1-Flavour – der Würgereflex setzt erneut ein und das ist gut so. Peter Flamingo war im nicht mal übertragenen Sinne genau das. Ein Ort, wo in saumiesem Ambiente Gefühle verkauft werden oder vielmehr das Versprechen darauf. Und die Leute feiern es, als wäre es die wahrhaftige Dolce Vita.
Die Kodizes der Subkultur gegen Scheine – Ideologie der Zeit: bitte einmal die Hülle von allem, aber bloss niemals Essenzen. Hier Szeneschick im Schatten von Frachtcontainern, auf Europaletten gebettet mit Ausblick auf die Alpen, da der Blick auf die Reitschule, mit gebührendem Sicherheitsabstand. Von subkultureller Niederschwelligkeit bleibt höchstens, dass Kunst fast nichts kostet. Der Geruch des Subversiven im Parfümfläschlein. An der prallen Sonne des letzten Atomsommers wucherte auf der Einsteinterrasse der Tumor der Aufwertung in pumpender Pracht: zahlen an der Bar bitte und seichte House-Beats als Hintergrundgedöns. Das ist Peter Flamingo.
Das hat allem Anschein an gar die Bodenplatten aus Beton zu verkrebsen vermocht. Das Bauinspektorat intervenierte – zum Glück – aus Pietät mit der Infrastruktur, man dankt.
Ein Verriss ist die Zeremonie der Eitelkeit, zweifelsohne, aber auch nach der Subtraktion des schöngeistigen Blickwinkels bleibt Peter Flamingo allerhöchstens ein Zirkus von der Faszinationskraft eines Rolf Knie-Bildes. Aber dieses müde Spektakel reicht trotzdem, um so etwas wie Solidarität zu generieren, über politische Gräben hinweg – das wird Herrn Reto Nause freuen. Der ist nämlich sicher nicht Samariter der «neuen Lebensfreude» – wie kolportiert wurde – sondern nichts weiter als ein Identitätspolitiker des justen Millieus, der Gemässigten und rechts darüber hinaus. Anwaltschaftlich mit diesem Materialismus der Aufwertung, weil er Nicht-Orte entstehen lässt und Menschen nicht trotzdem, sondern gerade deswegen dort ihre kulturelle und soziale Spröde zu salben suchen. Denn der Nicht-Ort ist echt, alles andere bleibt eine Unbekannte, ein Phantasma, eine verdächtige Spinnerei; scheisstraurig nochmal.
Gentrifizierung macht nicht hinter der Wohnungstüre halt, sondern würgt im öffentlichen Raum alle Phantasmen, würgt Vielfalt mit marktlogisch gestählten Tentakeln und lässt nur Profitablem Luft.
Zum Fühlen muss man schnaufen können.