Mein erstes 3D-Kinoerlebnis

Hör mir auf mit Rock‘n‘Roll: Sex, Sport und Fressen – das ist das Triptychon des banalen Glücks. Im Turnus widmet sich KSB der scheinbaren Einfachheit des guten Lebens.

K kam etwas spät.

Ich hatte dementsprechend Zeit gehabt, mir ein paar lockere erste Sätze auszudenken. Einfacher wärs gewesen, wenn wir direkt aneinander geschnuppert hätten, aber wir waren höfliche Tiere, aufrecht auf unseren Hinterläufen. Artikulierten Sätze wie Ich dachte mir noch, ob Loryplatz etwas weit ist für dich?

Ging noch, sagte K und parkte das Velo.

Anstatt uns endlich zu betrachten, gingen wir los und schielten bloss. Aus dem Augenwinkel legte ich Ks Profilbild über Ks tatsächliches Gesicht. Als wäre es eine Schablone, aus der die Nase nun hervorlugte, unter der eine breite Stirn sich wölbte, prächtig, plastisch. Ich war erinnert an mein erstes 3D-Kinoerlebnis: Avatar. Danach war mir leicht übel gewesen.

Ich habe schon ein paar seltsame Bumbledates gehabt, hörte
ich mich jetzt sagen. Beim letzten sei ich in der Wohnung der Mutter des Dates gelandet. Auf ihrer Seite der Wand habe die ge-onlinedatet. Und wir auf unserer Seite Erdnüsse gegessen und RTL geschaut.

Ich bin gespannt auf deine Stimme, hatte K geschrieben.

Die Mutter auf der Couch hat die ganze Zeit Kommentare zu den jeweiligen Typen gemacht …

Ui, sagte K.

Bumble kennt drei Kategorien, um die eigenen Suchbewegungen zu sortieren. Etwas Lockeres, Beziehung oder ich weiss noch nicht. K und ich suchten beide ich weiss noch nicht. Ich verbarg unter dem Deckbegriff den Wunsch nach etwas nahezu Ewigem oder das, was ich vor ein paar Monaten mit Match H erlebt hatte. Innert einer Woche ist es uns gelungen, die unwirtliche Distanz zwischen Wunsch und Erfüllung auf einen hauchdünnen Schaumrand zu reduzieren. Wenn die Hunde sich beim Akt verkeilen und sich dann panisch voneinander loszureissen suchen, versuchten wir verkeilt zu bleiben. Oder wenigstens wie die männlichen Marienkäfer tot und satt vom Rücken der anderen zu kippen.

Aber das erzählte ich K nicht. Mit K sass ich unter einer Kastanie, höfliche siebzig Zentimeter zwischen uns. Ich redete von mir, bis mir fremdelte. Dann sprach K von sich und Naturwein, ich legte einen Arm auf die Lehne der Bank, um zu sehen, ob der Arm zu K wollte.

Er wollte nur so halb.

Irgendwann liess der Baum eine Kastanie auf uns runter. K stand auf, ich stand auf. Unser Machs gut klang irgendwie verdächtig nach der Stille, die danach in unseren Chat einkehrte, wo bis jetzt Ks letzter Satz steht: Bin unterwegs, aber Loryplatz überraschend weit weg.

Noemi Somalvico ist Autorin in Bern. Dieser Text erschien zuerst in der Dezemberausgabe des KSB-Kulturmagazins.