Nicht so einfach

Hansjörg hilf! Schutzheiliger der Unbegüterten und Business-Planlosen. Hast den Progr gerettet (2 Millionen Franken), die Dampfbahn-Furka-Bergstrecke, das Ensemble Proton. Vielleicht auch noch die Bilateralen, so nebenbei. Also könntest du nicht, mit deinen Milliarden. Vielleicht, statt noch mehr Kultur, könntest du nicht mal noch die Berner Presse retten? Würde nicht so ins Gewicht fallen, neben all den Uni-Projekten und Mega-Naturschutzgebieten, für die du gern dreistellige Millionenbeträge überweist. Wie viele Wyss-Forschungsinstitute gibt es inzwischen? Man verliert da ein wenig die Übersicht zwischen Zürich, Harvard, Bern. So richtig grossflächiges Engagement dann beim Naturschutz: «23.5 million acres of land and nearly 400,000 square kilometers of the ocean», laut der Wyss Foundation-Webseite bis jetzt, bis 2030 sollen 30 Prozent der Planetenoberfläche geschützt sein. 30×30 nennt ihr das, thirty by thirty. Sounds good. Philanthropie als Overstatement, so hat man das immer gehandhabt in den Staaten drüben. Schon recht. Soll ja auch Impact haben, was man macht. Bisschen was zurückgeben vom Riesenreichtum, was kann man denn als erfolgreicher Entrepreneur dafür, wenn die Schere immer weiter aufgeht und man plötzlich Geld wie Heu hat. Ein Scherenhebel rauf, der andere runter. Gerne zitierst du Thomas Jefferson, den dritten Präsidenten der Vereinigen Staaten: «Wer in seinem Leben Glück und Geld hat, muss auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben.»

Also, The Giving Pledge unterzeichnet, die Hälfte des Vermögens soll wieder retour. Bleibt ja noch eine Hälfte, auch ok. «Gutes tun ist nicht so einfach» sagtest du der Bilanz, ja, versteht sich. Wenn man mal Teil der grossen Ungleichverteilung ist, dann kommt man da nicht so schnell wieder raus – man kann ja nicht zum Beispiel allen US-Bürgerinnen und Bürgern bisschen was aufs Konto überweisen. 6,5 Milliarden durch zwei, dann durch 330 Millionen – macht noch ziemlich genau 10 Dollar pro Kopf. Wäre nicht so effizient. Also: Land, Community, Discovery, so listet es deine Stiftung auf. Naturschutzgebiete, Bildungsinitiativen, Forschungsprojekte. Und nun auch noch Medien? Hast mal für die NZZ über Skisport geschrieben, als du jung warst. Muss eine Weile her sein, da war das Blatt noch was wert, auch journalistisch, ich kenne Leute, die haben die NZZ vor allem wegen dem Sport gelesen. Willst nicht zuschauen, wie eine weitere Zeitung down the drain geht, meintest du Anfang Jahr, die Chicago Tribune sollte von einem Hedgefonds übernommen werden, du botest dagegen. Zuerst ein ziemlicher Medienrummel – dann Funkstille. Auch Zeitungen sind Business, right? «After reviewing the Chicago Tribune’s finances during a due diligence process, Wyss pulled out», vermeldete die Financial Times eben – Hedge fund wins again. Nicht so einfach. Also warum nicht zuhause gutes tun, in der Heimatstadt? Bei der NZZ sind Hopfen und Malz und Millionen verloren, aber der Bund ist doch nach wie vor eine schmucke Zeitung. Die Finanzen wohl auch ein wenig in Schieflage, aber Journalismus ist halt kein Marktmodell, nicht mehr. Neue Musik oder Opern ja auch nicht, aber die hatten immer einen grossen philanthropischen Vorteil: waren nie gewinnträchtig, da konnte man sich die Finger nicht verbrennen dran. Dass Zeitungen nun plötzlich ein Verlustgeschäft sind, macht sie für Investoren wohl ein wenig schwerer zu schlucken. Aber hey, die Natur rettet man auch nicht, weil sie Gewinn abwirft. Wenigstens nicht so direkt. Und bei der Tribune ging es dir laut New York Times ja auch um «the amount of truth being told to the American people». More truth being told, ist immer gut. Aber nicht so einfach.

Hansjörg hilf. Hast ja Erfahrung damit. Medizinalbranche, da kommen die Milliarden her. Hals und Beinbruch. Pioniere gehen voran und lassen sich nicht so leicht aus dem Konzept bringen. Sonst wäre Synthes, die Firma, die aus chirurgischem Flickzeug ein Riesenbusiness gemacht hat, nie so erfolgreich geworden, oder? Dass es auf dem Weg zum Erfolg auch mal ein rechtliches Gehustle gibt: ist doch klar, gehört dazu. Dass auch ein paar Menschen sterben, die mit neu entwickelten Medizinprodukten behandelt werden? Gehört das auch dazu? Aber was soll man sagen: Gutes tun ist eben nicht so einfach.

Anfang der Nullerjahre: neues Geschäftsfeld. Knochenzement habt ihr es genannt, einfach an der rechten Stelle in den Körper spritzen und schon ist das gefixt. Traum aller Chirurgen. Stellte sich heraus: der Zement (Norian XR, toller Name) kann auch in die Blutbahn gelangen und da für Gerinnsel sorgen. Hatte sich angedeutet, das Risiko, in Vorstudien, hätte man vielleicht besser aufpassen müssen. Aber dann eben doch weitergepusht, es gibt genug Mediziner, die gern ein wenig experimentieren mit neuen Verfahren – werden auch gut entlohnt dafür. Manchmal muss man doch auch etwas wagen. Und vielleicht mal nicht so ganz genau hinschauen, Augen zu und durch. Erfolg gibt doch recht: Johnson&Johnson hat dir den ganzen Laden ja dann trotzdem abgekauft – 20 Milliarden, aufgerundet. Ok, gab noch ein unschönes Gerichtsverfahren zwischendrin: vier deiner Manager bekamen Haftstrafen, war eine ziemliche Geschichte damals – aber Schwamm drüber, schon über zehn Jahre her. Du konntest die Jury davon überzeugen, von nichts gewusst zu haben. Und hatte der Kapitalismus nicht immer schon ein feines Gespür für Ironie? Als Johnson&Johnson die Übernahme verkündete, «they specifically cited Synthes’s «culture» and «values» as evidence of its appeal».

Die Tribune hat damals sicher auch berichtet, truth being told to the American people. In der Schweizer Presse las man eher weniger über die Verfahren, die sich bis vor ein paar Jahren hinzogen und eher mehr über deine Versuche, Gutes zu tun. Hansjörg, hilf! Hilf der Welt und hilf dir selbst, weil dann hilft dir Gott. Nachzulesen auf Wiki:

Since the Giving pledge was created in 2010, the wealth of the donors has not decreased but has instead increased from a combined $376 billion in 2010 to a combined $734 billion in 2020.

PS: Und falls du lieber mit einem kleineren, vertrauenswürdigen Medienprojekt in Bern Fuss fassen möchtest: KSB sucht auch jederzeit Gönner. Due diligence: Formsache. Schick deine Anwälte vorbei, wir haben so gut wie nichts auf dem Konto/zu verbergen.