Nur eine Legofigur im System

Der Kapitalismus ist gross und anfassen kann man ihn nicht. Aber umgeben tut er einen trotzdem, vorgegebene Linien und Muster, Lebensentwürfe und Möglichkeiten – Hindernisse, Stolpersteine. Und viele Menschen, die kaputt gehen. So sagt man doch, aber wer versteht denn wirklich, was das ist, dieses Ding Kapitalismus? Verstehen muss man es, um es abzuschaffen; ins Museum bringen, um es dereinst ins Museum bringen zu können: So hat sich das ein Kollektiv gesagt.

Also gibt es nun das Museum des Kapitalismus auf der Schütz, über Vergangenheit, Gegenwart und hoffentlich keine Zukunft dieses Monstrums: zerlegt in kleine Happen, die man einigermassen beissen mag. Die Idee kommt aus Berlin, da gibt es das schon seit 2015, und hier nun seit letztem Freitag. Neun Leute im Kernkollektiv, zwanzig bis fünfundzwanzig im Ganzen, die geplant, gedacht und eine Viertelstunde vor Beginn noch den letzten Staub aus dem Raum gewischt haben.

An der Vernissage trägt die Szene ein bisschen schwarzen Rollkragenpullover und trinkt Prosecco. Ein erklärtes Ziel des Projekts: Nicht zu szenig zu wirken; also sind da neutrale Schriften und schicke Lämpchen, doch auch immer wieder ein Brettchen, das sympathisch von der Wand fällt – der Vorsatz ist gelungen: gerade so professionell, dass es nicht langweilig wirkt.

Eingeteilt ist der Kapitalismus hier in sechs Kapitel, es geht zum Beispiel um Stadtentwicklung, Ausgrenzung, Kolonialismus, und was hier im Museum eben geht: Man kann das Monster auf einmal anfassen. Legofiguren werden herumgeschoben, Tennisbälle in Löcher gespickt, Wasser gepumpt, um Arbeit und Leben im Kapitalismus begreifbar zu machen. Das fühlt sich manchmal etwas sehr pädagogisch angeleitet an, aber es hilft eben schon beim Verstehen. Also schiebe ich meinen Toggel auf der Privilegienwand nach oben und lasse Murmeln davon sprechen, in welchen Räumen meines Zuhauses ich am meisten Zeit verbringe. Höre Geschichten von Menschen vom Rande, schaue der Lorraine beim Verändern zu; oben im Bus mit Blick auf den verregneten Platz nun Bibliothek statt Bässe. Gut ist das geworden. Danke Szene.

Das Museum des Kapitalismus hat offen: Mi 14-21, Do-Fr 16-21, Sa-So 10-18.