Menschen, die sich während des Konzerts an ihrem Natel festhalten, sind für die Atmosphäre noch schlimmer als jene, die nie die Klappe halten können. Ein Konzertbericht in SMS. King Pepe & The Queens stellen in der Turnhalle neues Material vor.
Mirko (+4176516XXXX) 20:24
«boi, wo bistu? ist ein braver
aufmarsch hier.
schlange.»
Urs (+4177433XXXX) 20:27
«bin schon am tresen»
Was fragt man auch. An der Bar erzählt Rihs als seltsame Begrüssung von einem gesponnenen Sessel, den er irgendwo gefunden hat. Er meint wohl gestohlen. Möbel mit schönen Formen und Namen – erschliessen sich nicht gänzlich. Ist das nicht wie bei der Musik – Calypso? Keine Ahnung, egal. Man entschliesst, sich mindestens eine Sprossenwand voneinander zu entfernen und die Sache getrennt zu begehen. Schwab muss aufs Klo. Das Konzert beginnt.
20:57
«bist du noch auf dem wc?
bin schon beim lichtpult und hari singt davon, dass er anfängt etwas zu sehen. alles sehr brav auf dem parkett, ich frag mich, ob das bee flat ein symptom des braven ist, kann man das behaupten?»
21:04
«wenn da ungehorsam passiert, dann auf der bühne.
möchte auch etwas schönes kaputtmachen. sofort.»
21:07
«vielleicht sollte ich von hier aus einen dreier werfen und hoffen, dass mindestens eine birne platzt, aber eine palme steht vor dem korb –
it’s a shame.»
21:13
«stehe hinter dem mischpult übrigens. du? sehe grad, dass der tonmann den zynismus ausgeschlauft und die musik etwas mehr in die mitte gemischt hat …»
Die Band kombiniert sich – trotz den zwei nominellen Spielmachern – sehr kollektiv durch die Turnhalle. Die Sympathie trägt, wo man sich bei den vorwiegend unveröffentlichten Stücken noch hie und da sicher aus den wenig erprobten Arrangements reiten muss. Die zwei Schlagzeuger Giulin Stäubli und Rico Baumann verbrüdern sich mit Bassist Jeremias Keller. Sibill Urweider an den Tastaturen wendet sich mit Lustig-Melodischem an ihre Mannschaft. Und Simon Hari singt anmutig windschief – vom Mond und vom Tod und von der Selbstaufgabe. Steht im Regen.
21:25
«lass mich von der kondense beim lüftungsrohr antropfen, neben der treppe, und frag mich, ob der staub an den lamellen da genügen würde, ein paralleluniversum zu komprimieren.»
21:36
«in einem möglichen paralleluniversum ist 1952 und heroin und es spielen nur die zwei schlagzeuge in wildem zerwürfnis. so, wie im mondlied gerade eben – und hari wuselt sich in einen endlosen wahn. das könnte ich mir dann glaubs zweidrei stunden geben.»
In Simon Haris lyrischem Mikrokosmos sind die Songs Geschenklein. Sie könnten im Stauffacher feilgeboten sein, in einer unaufdringlichen Auslage und doch gleich neben der Kasse. Und wir würden sie dann kaufen, aller Verweigerung zum Trotz. Wir würden sie uns in Seidenpapier einwickeln lassen, so, wie wir selbst seidenpapiergewickelt sind. Und weitergeben, sich zu finden auf halber Strecke zwischen verbiedert und verbittert.
21:41
«vor der dreingabe ist jetzt irgendwo ein glas zerschlagen. endlich. adieu mon sacré coeur.»
21:49
«contenance – zusammen schlafen auf diesem ovalen spaghettistuhl – wie heisst der noch gleich? ich fühl mich grad wie im sportunterricht früher, fürchte mich vor dem duschen und freu mich doch.»
22:04
«oder heisst das ding lambrusco? abduschen: feuerlöschanlage über das nicht entzündbare cargovelo-publikum. ist es nicht auch beim stahlberger ein bisschen so? jene, die am euphorischsten einklatschen, erliegen durch die lieder einer scheinerlösung – kann man das behaupten? dann zum schluss ein weiteres, älteres und auch sehr schönes lied übers sterben. wenn der tod schliesslich die zweite zugabe ist, ist ja alles halb so wild.
rauchen?»
22:10
«bin schon da ja – nach dem kleinen tod und sowieso, objét petit a, aus der analytischen warte hast du recht: es scheinen tatsächlich viele leberflecken sichtbar zu werden mit diesen liedchen – bei sich und somit auch dem rest des wohlgebetteten stadtrudels.
und der stuhl heisst acapulco -»
Das Konzert war Abschluss der dreiteiligen Carte Blanche, sehr zu recht vergeben an Bassist Jeremias Keller. Das aktuelle Album von King Pepe & The Queens heisst «Karma Ok» und ist 2018 bei Der gesunde Menschenversand erschienen.