Radical Softness in Feldschlösschen Village

Hör mir auf mit Drogen: Sex, Sport und Fressen – das ist das Triptychon des banalen Glücks. Im Turnus widmet sich KSB der scheinbaren Einfachheit des guten Lebens.

Es scheint Zeit für eine paradoxe Intervention. Ich muss zum Eishockey gehen, sag mir wo die Kutten sind, Urs. Ok Donnerstag und gut, dass sich im Allmendstadion üblicherweise nur wenig Leute aus der Stadt versammeln, das heisst: Die grosse Liebe zu Bern aber ohne Bern, das klingt nach einem vernünftigen Angebot. Früher ganz gefährlich und unübersichtlich, sei die Betonrampe im Eisstadion Allmend gewesen: Wo gekifft und gepöbelt, über die Wellenbrecher hineingekotzt wurde und ein recht explizit rassistisches Getue Umgang war, aber auch irgendwie inklusiv sei die dicke Luft gewesen, in der geistig anders gewickelte Menschen neben geistig ganz gewickelten, aber bequemlichen Menschen selig wurden, in Liebe zum unbeliebtesten (und natürlich umgekehrt beliebtesten) Eishockeyverein der Nationalliga A. Soweit das Hörensagen, jetzt die Wahrheit:

Bern rockt nicht, Bern streichelt. Und es ist zu kalt für Kutten oder die Kutten sind tot. Tosio Renato ist längstens pensioniert: wo früher sein Trikot-Totem im Stadiondach hing, hängt heute nüchtern eine Blache. Auf dem Eisfeld und auf den Rängen geht es um Verwandtschaft, Nächstenliebe, denn der SC Langnau ist auf Besuch, die Tigers spielen gegen die Bären, ein sehr mittleres Ereignis, das Tatzenderby, der Mutz und der Tiger, sie haben Tatzen und das verbindet so zuverlässig wie der Kamblyzug. Vielleicht ist, dass es nicht mehr wehtun kann. McDonald’s macht den Totomat, das ist gut, denn der Blutdruck ist immer dann nur kurz am höchsten, wenn die Zwischenresultate anderer Partien aufscheinen. Auch nur dann: vereinzelte Schlämperlichkeiten aus dem Publikum, vorsichtige; Hurensöhne Gottéron. Sonst friedliche Unlust gleichmässig an Spiel und Pöbelei, es wird kein böses Wort verschwendet zwischen Heim- und Gästeblock und niemand zeigt den Hitlergruss vor. Am Rand zum Beispiel die Mutter und der Sohn, knapp zwanzig Jahre im Alter verschieden, wie sie sich die Partie nur ein bisschen anschauen, als müsste der Fernseher laufen, und dabei zärtlich aufeinander einreden wie vielleicht lange nicht mehr. Oder küssende Paare, die einen nicht grausen, glückliche Familien, dass man sich träumt, die kleinen Hände in die grossen Hände zu legen, links Vater, rechts Mutter, um zu schwingen — daheim auf der steilsten Betonrampe der Eishockeywelt, wo die Eisenstangen mit gestrickter Wolle umgarnt sind, damit das Festhalten ein bisschen weniger kalt ist an den Fingerspitzen.

Das Spiel endet 5:2 für den SC Bern. Dieser Text erschien zuerst in der Januarausgabe des KSB Kulturmagazins.