Rec Out → Aus i Üs

«Du machst es vielleicht langsamer, aber du bewegst dich trotzdem abwärts. Also hör auf damit!»

Feldaufnahme aus Kapstadt, elf Sekunden. Dann Introspektion. Im Vorbeigang hat Baze kürzlich ein eigenartiges Kunstwerk in die Welt gesetzt, als wäre es ihm aus der Jackentasche gefallen wie eine Handvoll Zigarettenfilter. «Aus i Üs» sind drei Songs, vier Skits und tausend brüchige Böden. Nur hats kaum jemand bemerkt, kaum Widerhall. Das Internet ist ein einsamer Ort.

Schön bischde ou da / Schöne Sunnti

Die nach «Gott» wieder in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Ben Mühlethaler entstandenen Beats zeigen den Rapper im Weltformat. Das Instrumentarium ist kühl, die digitale Rhythmik ist direkt und doch unnahbar. Und nach allen Himmelsrichtungen fahren die Bässe aus. Darüber gurgelt Baze in reizend dosiertem Autotune, das seine Qualitäten als Vokalist nicht vernebelt, sondern beflügelt. Im Nebel hingegen bleiben einzelne Zeilen, Worte, Silben. Bei Internet-Star Pronto aus Solothurn kann man sich das etwa abschauen und über den Spagat von Bedeutungsverlust und -erweiterung streiten, der dieses Mumbling genannte Spiel mit den Phonemen aufschlägt. Baze eignet sich diesen internationalen Duktus sorgfältig an. Dass sein Ausdruck immer schon musikalischer und vokalistischer war als jener seiner Gefährten, die Rap machen mit Sechzehnern und Punchlines, in substituierend-bübischer Kompetition von Krudität, Geschwindigkeit und Wortwitz – dieses scheinbare Aussenseitertum ist hier Leichtigkeit. Ohne Psychedelika wird aus «I mire Hut» rasch «I mire Hood» und noch lieber «Im Irrehus».

«Aus i Üs» reflektiert grosse Themen als Miniaturen. Individualismus, Introspektion, Weltverlorenheit und Weltverortung, Glück und Zeit. Baze weiss davon nichts, wälzt Fragen und Widersprüche und bewahrt sich Skepsis vor der Gewissheit.

Die süessischti Frucht isch die wo nie hesch dribisse / Was nie dir het ghört chasch o nid vermisse

Die aphoristische Weisheit, die jedes Conscious-Rapalbum dieser Welt so nervig macht, scheint in den vier Sprachaufnahmen zwischen den Liedern auf und als entschärfender Pluralismus ausgelagert: Lebenshilfe aus Tirana, Kapstadt und vom berndeutschen Stammtisch. Jeder scheint zu wissen, wie sich die grossen Fragen in zwanzig Sekunden heilender Rhetorik zur Auflösung bringen lassen. Glücklich ist kaum jemand.

«Aus i Üs» ist ein fast unbemerktes Meisterwerk der Verdichtung. Zehn Minuten zwischen Unendlichkeit und Dreieinhalbzimmer Parterre, zwischen Bern und dem Kap der Guten Hoffnung. Am bittersüssen Punkt. Weit weg von provinzieller Genügsamkeit und gleich weit entfernt von seelentotem Internationalismus. Die Verschwendung, die in seiner nonchalanten Veröffentlichung liegt, macht es umso schöner.

«Aus i Üs» ist am 13. Dezember über Eret erschienen.

Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.