Renaissance der Renaissance

Statt in den Drei Eidgenossen trifft Andrea Kaiser die Künstlerin Inga Steffens in ihrem Atelier. Ein Gastbeitrag.

«Der Betrachter eines Bildes kann sich nicht einfach ein vorgefertigtes Werk reinziehen. Auch er muss daran arbeiten.»

Inga Steffens, Malerin

Im Atelier in einem ehemaligen Industriegebäude in Bümpliz hängt ein Hauch von ungesunden Gasen in der Luft – als Laie ist man geneigt, Terpentin oder Aceton zu identifizieren. An der Hochschule der Künste lernte sie ihr Handwerk, arbeitete sich vor allem an Moderne und Postmoderne ab – und hatte mit Zweifeln zu kämpfen. «Die Idee der Moderne war, sich von den Zwängen der überlieferten Maltechnik zu befreien», so Steffens. «Aber ich fühlte mich beengt. Nach der Postmoderne ab den 1970er Jahren entstand ein neues Korsett – ein verbaler Überbau, oft mit intellektueller Mitgift. Ich finde, ein Werk sollte für sich stehen, ohne Erläuterungen auf einer anderen Ebene nötig zu haben.»

So fand sie zurück zu traditioneller Kunst, etwa zu Gotik, Renaissance, Manierismus. Tatsächlich erwärmen sich beim Betrachten ihrer Bilder die Synapsen und schalten auf Hans Holbein, Rogier van der Weyden, Hans Memling.

Statt vorgefertigte Leinwände und industriell hergestellte Acrylfarben zu verwenden, tüftelt Steffens an den Materialien, die den alten Meistern zur Verfügung standen: Eiweiss, Kalk, Gips, Kasein et cetera. «Mich faszinieren diese organischen Substanzen, schon deshalb, weil sie einem viel Wissen und Geduld abverlangen.» So laboriert sie an mit Knochenmehl eingeriebenem Pergament, erstellt Tafeln, vergleichende Tabellen. Blei, Bister Pinsel, Russ mit Gummi Arabicum, Eisengallus. Auch Pfaffenhütchen fehlen nicht.

Der Gegenstand ihrer Bilder mutet ebenfalls klassisch an, zumeist Porträts älterer Männer. «Ich habe ein Faible für den Kontrast zwischen Licht und Schatten, deshalb sprechen mich zerfurchte Konterfeis an. Statt den Faltenwurf auf ein Kleid zu beschränken, kann er so auch auf das Gesicht angewendet werden.»

Das Wort «hätte» hat gute Chancen, zum Unwort des Jahres 2020 zu werden. Im Frühling hätte Steffens ihre Gemälde in den Drei Eidgenossen ausgestellt – wäre nicht der Lockdown dazwischen geraten. Warum in einer Kneipe? «In Galerien ist es mir zu ungemütlich, es ist steif und überladen von elitärer Intellektualität. In einer Bar steht Kunst für sich selber, die Gäste können sich dem Werk widmen oder nicht.» Bleibt zu hoffen, dass das bald wieder möglich ist.