Was wenn Mikroorganismen Musik mögen? Wenn die kleine Welt, die in einem Käselaib eingeschlossen ist und für ein paar Monate im Käsekeller vor sich hin werkt (der reife Käse ist ja eigentlich nur ein Nebeneffekt der Entwicklung dieser Bakterien-Metropole), reagieren würde auf Umwelteinflüsse nicht nur in Sachen Feuchtigkeit und Temperatur, sondern auch Akustik? Ich meine, schliesslich impft man die Milch ja mit «Käsekulturen»?
Kultur? Auftritt HKB. Die Hochschule geht alljährlich an Land, um der «Verwurzelung mit dem Kanton» willen, wie der Direktor persönlich gestern in Burgdorf erklärte. Und da draussen fand man Beat Wampfler, ein herrliches Original von einem Käser. «Käse beschallen!» sagte man sich und liess ein paar Sound-Arts-Studenten ihr Hochschulknowhow in ausgeklügelte Holzkisten stecken. Und so wurden unterschiedliche Sounds über Monate direkt in die Bakterien-Biotope in Wampflers Keller geschickt, um herauszufinden, wie diese auf die zusätzliche Anregung reagieren würden. Man weiss: manche von ihnen sind mesophil, Kleinbürger gewissermassen, die den langweiligen Durchschnitt lieben, manche sind thermophil, sie kommen erst in Schwung, wenn die mesophilen Bugs schwitzend schlapp machen. Und wer weiss: Vielleicht sind manche ja auch musophil? Der entsprechende Fachterminus müsste aber erst noch erfunden werden.
Und die Idee kommt an: Noch nie hat die HKB ein ähnliches Medienecho erlebt – um all die Anfragen (aus Deutschland, Frankreich, auch Al-Jazeera war da) zu bewältigen, hat man extra eine Kommunikationsagentur ins Boot geholt. Gestern war also Medienkonferenz im Käsehaus K3, und das Lokalkolorit funktionierte bestens. Und plötzlich kam einem die Story sehr bekannt vor: Urbane Genussmenschen gehen aufs Land und treffen experimentierfreudige, aber ansonsten wunderbar authentische Lebensmittelproduzenten.
Ach ja: Dass die wissenschaftliche Untersuchung des Käses zum Schluss kam, dass man zu keinem wirklichen Schluss kommen kann (dafür waren die Resultate viel zu wenig aussagekräftig), spielte keine Rolle. Gute Story! Und ab, rund um die Welt. Die HKB kennt sich ja schliesslich aus mit Fiktionen. Vielleicht sollte sie einfach schauen, dass sie beim Faktenmachen nicht versehens einen ziemlichen Käse produziert. Dass sich in Brooklyn ein Hipsterladen findet, der ihn dann auch ins Sortiment aufnimmt, stand zu erwarten.