So brüchig, wie sie es wollen, stellen die Acid Amazonians ihr Intro auf und das Cello macht Halbsätze, von Stimmen umgeistert. Ein dunkelhäutiger Mann ohne Hemd sitzt mittig auf der Bühnenkante und windet sich zu der Musik, die sich langsam erhebt. Und da er sich selbst langsam erhebt, flucht und faucht und auf die Bühnenbretter haut, wie ein drahtiger Tänzer bei der Arbeit sich auszubreiten beginnt, wundert sich das Publikum, was zur Performance gehört und was sich hier gerade würfelt im Innenhof der Reitschule, Zufluchtsort für die einen und andern.
«How to take up space» – wie man Raum greift. Die drei Acid Amazonians machen das auf Einladung. Sie teilen sich einen grossen Tisch, leeren ihre Geräte darauf aus, soviel, dass es sich mit dem Zug reisen lässt, links ragt ein Cello, rechts hängt ein Bass und auf den Köpfen Helme Lichterspiel. Dann geht es darum: sich auszubreiten und auszuprobieren, alles auf der Basis von Improvisation; Vertrauen, Geduld, Loslassen. Erwartungen subvertieren, indem man keine an sich stellt. «Und jetzt kommt – irgendwas halt, wissen wir selbst noch nicht», sagt die Cellistin und Sängerin Dorothea Mildenberger. Im Verlauf des Konzerts singen alle und machen Ansagen in dieser feministisch-anarchistischen Laborsituation. Irgendwann juchzt und miaut auch das Publikum mit und lacht, lots of fun bei all der Politik und musikalischen Tiefenforschung.
Den wütenden Tänzer hat dazu niemand eingeladen. Das wird klar, als ihn ein paar hellhäutige Männer erfolglos von der Bühne schicken wollen. Ein performativer Subtext als situation trouvée, durchaus beklemmend, durchaus kompliziert – wo hört die Bühne auf, wo ist oben, wo ist unten und wie kommen wir nur da raus, mit der linken Heugabel voraus, ein Dreizack aus class, race, gender? Die Band hat Geduld und behauptet ihren Raum, zunächst ohne den Gast zu verjagen, aber nicht ohne Kommentar – «when you talk and someone jumps in, keep talking». Irgendwann macht sich der Tänzer an einem Monitor zu schaffen und die Bassistin und Sängerin Franziska Staubli schickt ihn fort, mit einem kleinen Lächeln im äussersten Mundwinkel. Wenig später streift der Suchende durchs Publikum, verschwindet im Plural, das sich selbst immer näher zur Bühne bewegt hat, als müsste es den voyeuristischen Rest, der dieser passierten Performance anhaftet, zerstreuen – von den Acid Amazonians dazu eingeladen, den Raum zu besetzen. «Es war sehr schön, mit euch ein Konzert zu spielen – aber wir müssen jetzt auf den Zug», heisst es zum Schluss und für eine Zugabe reicht die Zeit auch deshalb nicht mehr, weil die drei Jungs der Vorband erst die Zeit und mit einem erotomanischen Keytar-Solo letztlich auch die Geduld überspannt haben. Zum Glück sind Zugaben eh für den Arsch, von der geplanten Encore ganz zu schweigen. Die Acid Amazonians haben das in der schweren Luft dieses Sonntagabends gesagt und ein paar andere wichtige Dinge mehr, ohne sich in zu vielen Worten zu verlieren.
Das Album «How To Take Up Space» ist auf A Tree In A Field Records erschienen. Acid Amazonians sind Rada Leu, Franziska Staubli und Dorothea Mildenberger. Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke, rausgeschossen als gäbs kein Morgen.