VacMe if you can

Robin Zurbrügg nutzt die Auffahrt-Brücke, um sich im Mystery Park impfen zu lassen.

Es ist kalt und grau und es regnet und ich verstehe nicht, dass Interlaken seit einem Jahrhundert ein Reiseziel ist. Ich bin freiwillig hier. Es standen Tavannes und Interlaken zur Auswahl und Tavannes hatte nur noch frühmorgens Impftermine Termine frei. Mein Navi will, dass ich die Autobahn verlasse. Ich fahre langsam durch Matten.

Ich freue mich eigentlich über mein Glück. Massen-SMS, Websites durchklicken und all die Telefonate haben sich gelohnt. Aber jetzt ist mir das Ganze suspekt: mich an Auffahrt im Mystery Park impfen zu lassen. Man muss schliesslich kein Ancient Alien Historian sein, um Auffahrt verdächtig zu finden.

Apg 1, 9: Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.

Es braucht nicht viel und Wolke wird zu Raumschiff.
In einem Land, in dem man sich am Osterwochenende kaum testen lassen konnte, hätte ich nicht erwartet, dass man sich an einem Feiertag impfen lassen kann. Ein Kontrollblick auf die SMS von VacMe, ich täusche mich nicht: 13.05.21, 13:10, Impfzentrum Interlaken.

Matten ist wie ausgestorben. Einzig der Lidl hat offen und erinnert an ein Dorffest. Überall Kinder ganz in Plastik eingepackt, die von Pfütze zu Pfütze auf dem Parkplatz springen. Vielleicht kann Plastik wirklich die Welt verändern? Unter den Dächern der Kofferraumtüren wird das Neueste aus dem Dorf besprochen – zumindest stelle ich mir das so vor. Ich habe mein Fenster vorsichtshalber hochgefahren.

Ausserhalb des Dorfes nähere ich mich dem Park. Die Gebäude erinnern an die verlassenen Bauten einer Weltexpo. Ich gehe über den leeren Parkplatz zu den obligaten weissen Plastikpavillons, die sich als unabdingbar in der Bekämpfung von Corona gezeigt haben. Zum Glück stehen einige schon Schlange – ich habe immer noch die leise Befürchtung, dass von Däniken sich rächen will für den Missbrauch seines Werks. Je mehr wir sind, desto kleiner die Chance, dass die Rache mich trifft. Der Vorplatz ist orange und schwarz gepflastert. Es stellt eine Weltkarte dar. Ich reihe mich hinten, südliches Chile, in die Schlange ein. Es geht schnell vorwärts. Als ich ganz vorne bin, steigt jemand gleich hier aus einem Auto aus. Von der Seite drängt sie sich vor und fragt den Maskenverteiler, wann der Mystery Park offen sei. Sie war schon seit Jahren nicht mehr hier. Er hat keine Ahnung. «Das ist jetzt ganz anders», meint er, «alles anders. Curling und so.» «Ach?», fragt sie, «so Aktivitäten?» «Ja, alles anders.»

Drinnen ist es unspektakulär, weisse Trennwände und blaue Plastikstühle. Enttäuschend. Über uns offene Ventilationsröhren und Kantonswappen. Zum Trinken Adelbodner Mineral, mit und ohne Gas. Ich nehme beide. Alles geht schnell; ich setze mich und warte meine Viertelstunde ab. Es hat was von einem Beichtstuhl, mit den Trennwänden auf beiden Seiten. Die allergische Reaktion bleibt aus.

Ob ich von Däniken zu Unrecht unterstelle, es würde ihn stören, ein Impfzentrum im ehemaligen Mystery Park? Ich hätte nirgends gelesen, dass er sich als Coronaleugner oder Impfskeptiker äusserte. Aber er war einer der ersten bekannten Querdenker des 20. Jahrhunderts: Menschen, die ganz ohne Fachwissen behaupten, sie sähen Wahrheiten, die den Expert*innen verborgen bleiben.

Vielleicht ist er nicht der, der abdrückt. Aber er hat sicher Munition bereitgestellt.