Hör mir auf mit Rock‘n‘Roll: Sex, Sport und Fressen – das ist das Triptychon des banalen Glücks. Im Turnus widmet sich KSB der scheinbaren Einfachheit des guten Lebens.
Über Sport schreiben, ohne Sport zu treiben? Besser erstmal ein paar Aufwärmübungen absolvieren und Bewegungsabläufe überprüfen. Also rasch in den Velokeller, das postpandemische Gefährt raustragen, alles montieren und einklicken in die Pedale. Bis zur nächsten Rotlicht-Kreuzung fahren, routiniert anhalten, umkippen. I stumble and then I fall.
Wiederhergestellt, nehme ich doch den sichereren und direkten Weg, hin zum angestammten Platz im Wankdorf. Dorthin, wo ich mich immer wieder hinverdrehe, denn ja, ins Fussballstadion gehöre ich hin, weil vom Fussball – und schon gar nicht vom Spitzenfussball – kann ich mich einfach nicht emotional verabschieden, selbst dann, wenn alle dreckigen Big-Business-Realitäten so offensichtlich sind wie selten zuvor.
Und natürlich: it’s Folklore, honey, die alles überdeckt, selbst die Millionen, die jüngst aus Russland auf die lokalen Konten des BSC YB überwiesen wurden. An diesem Sonntag mehr denn je, weil das Spiel so schön und ungefährdet war wie schon lange nicht mehr, weil die Gegenwart und Zukünfte des Teams – Ugrinic! Imeri! Camara! Itten! Nsame! – so wunderbar miteinander harmonierten. Und wegen dem anschliessenden Abschiedsspiel der Goalielegende, als die optimistische Gegenwart mit den instantklassischen Clubvergangenheiten clashten.
Weil weisch no dä Tag, als Wölfli den Penalty an die Latte abgewehrt hat? Jaja, leider, es war Samstag, wir mussten auftragsbedingt nach Wichtrach, liessen uns in der Eishalle Holzbauten zeigen, die später als Bühnenelemente des Holzkuhschnitzers und Sängers aus dem Ballenberggebiet dienten. Alles so authentisch wie die Skihüttenhits an der Afterparty.
Dieser 28. April 2018 war jener Abend, an dem mein kompassloses Stolpern offensichtlich wurde und absehbar war, dass das zu nichts Gutem führt. Deshalb suche ich seither andere Wege, lasse keinen Stadionbesuch mehr aus, ausser dann, wenn die Musikant:innen diese Sporthütten besetzen und einen unbespielbaren Acker zurücklassen. Denn im Alltag, und sei die Liga noch so grau, passiert zumindest auf den billigeren Plätzen immer noch all das, was dieses Ding – Sport? Leben? Kultur? – so kompliziert und doch so lebenswert macht. Denn schau mal: wie dieser hier läuft, wie jener eine frustrierend schlechte Flanke schlägt, wie dieser da sich durchsetzt und den freien Raum findet, schiesst – und der Ball im Tor landet. Bis zum Umfallen beim Jubel. Say yes.
Benjamin Schneider hat bürgerlich einen mittelalterlich anmutenden Künstlernamen und wäre gerne Sportjournalist. Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Oktoberausgabe des KSB Kulturmagazins.