Where the Hell: Verdrängen ist leicht

Der Sonntag ist ja traditionell ein schwieriger Tag, und an der Kilbi fühlt er sich besonders verschoben an: als dritter Festivaltag, vom Gefühl her noch lang nicht fertig, eigentlich wäre ja Samstag – von hinten schleicht sich langsam die Angst an. Bis zum Schluss bleibt unvorstellbar, dass wir nachher heimgehen. Um Mitternacht ist fertig und was passiert dann?

Aber Verdrängen ist leicht und dieser Tag dazu geeignet, weil noch einmal ein Programm zusammenkommt, das einem kaum eine Verschnaufpause lässt. Am Nachmittag wachen wir am See auf, in Schlafsäcken und Faserpelzen eingepackt, um uns die Leute im Badzeug am Strand. Dann schleichen wir uns hinauf. Ein erstes Spitzlicht, Alpha Maid aus London im Zelt, die eine Idee von Grunge zerrupft, auseinanderschreisst und verlangsamt, wir sitzen im Holzschnitzel und lassen diese Stimme über uns hinwegrauschen. Es kommt einem Mica Levi in den Sinn und das schöne schillernde Grossstadtleben mit all der Traurigkeit an den Rändern.

Zurück in der Kleinstadt: Baze sieht mit den Jahren immer mehr aus wie Endo Anaconda, mit Fischerhut, Sonnenbrille, Zigarette sitzt er in der Mitte der Zeltbühne – zittern seine Finger, ist er nervös? – neben ihm Keys (Fabian M. Müller, auch Sonnenbrille) und Drums (Fred Bürki, auch Hut), sitzen alle da und sehen aus wie eine etwas abgekämpfte, aber gut zufriedene Altherrenrunde: das ist Kraake, das ist Baze in noch ein bisschen melancholischer, ein bisschen schwermütiger – oh Julian, la doch d Finger vo däm Gift. Abgrenzung von den anderen und das Alter – die zwei grossen Themen von Baze sind hier vielleicht ein bisschen zu kitschig aufgemacht. Könnte man bemängeln, wenn man denn wollte, Müller vielleicht etwas zu salbungsvoll an den Tasten – aber doch ist das jetzt fast alles, was man braucht. Eine schwere, warme Decke.

Dieses Programm ist nie ohne Wehmut, aber es lässt einen zum Glück auch nie allein. Heimat ist Französisch und bedeutet, so möchte ich vielleicht auch einmal alt werden (aber vielleicht auch lieber nicht), Olivier Demeaux und Armelle Bisou Bisou auf der Hauptbühne, die Sängerin raucht eine Zigarette nach der anderen, steht stolz im langen Rock, rotes Haar. Wenn sie lacht, sieht man mehrere Zähne fehlen. In Würde alt werden oder in Würde darauf scheissen.

Dass Omni Selassi in grosser Formation das wohl beste Konzert an diesem Wochenende auf der Hauptbühne spielen, dass Elischa Heller den Abriss macht und das genau richtig ist – Räucherwerk, bewusste Liebe – dazu kann ich eigentlich gar nichts sagen. Zu nah und zu viel, und am Ende fliessen wieder die Tränen. Ganz am Ende spielt DJ Fett die Sonne in den Club, kurz nach Mitternacht ist, wie erwartet, der Platz verlassen, die Leute weg, leere Becher überall. Es war wirklich Kilbi, wirklich Düdingen, wirklich drei Tage Programm, schöne schillernde Provinz und ein bisschen Wehmut. Wir verziehen uns.

Where the Hell: KSB war am Wochenende drüben in Düdingen und berichtet von der Bad Bonn Kilbi.