Wir kommen

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Boselli, sehr geehrter Herr Schaffner,

Mit grossem Interesse haben wir in den letzten Tagen die Bewegungen im Portefeuille von Tamedia mitverfolgt und Folgendes erfahren: «Bund» und «Berner Zeitung» sollen zusammengelegt, jedoch weiterhin mit verschiedenen Titelblättern verkauft werden. Um es gleich vorwegzunehmen – wir finden das eine sehr gute Idee. Anstatt also mit Konsternation oder mit Zukunftsängsten zu reagieren, hat sich bei uns Tatendrang eingestellt und, es lässt sich nicht bescheidener sagen: eine Vision ausgebildet.

Als langjährige Lesende beider Zeitungen, als Berner und Bernerinnen, als Teil des journalistischen Kleinkleins dieser Bundesstadt sehen wir uns bestens aufgestellt, als (ehemaliges) KSB Kulturmagazin in Ihr Projekt einzusteigen. Mehr noch: es zu übernehmen. Selbstverständlich haben wir in keiner Weise vor, uns aufzudrängen. Dennoch wollen wir die Chance nicht verstreichen lassen, die sich in dieser Situation uns UND Ihnen bietet.

Sicher fragen Sie sich jetzt, was gerade diese fünf Nobodys dafür qualifiziert. Nun, wir erklären es Ihnen.

Erstens: Wir sind jung – und haben somit das sogenannte goldene Zeitalter des Journalismus gar nicht erst miterlebt. Kein Gejammer, dass es nicht mehr so wie früher sei, keine astronomischen Lohnvorstellungen, kaum gewerkschaftliches Verständnis: ein Idealfall für Sie. Wir sind im Internet aufgewachsen, verstehen die Bedürfnisse der Generationen X-Z von A-Z – eines Zielpublikums also, das, ebenso wie wir, keine Bindung hat zur antiquierten Idee Lokaljournalismus.

Zweitens: Wir sind flexibel. Keine fixen Arbeitsplätze, keine Sozialversicherungen: Alltag für uns. Da wir bis jetzt ganz ohne Lohn gearbeitet haben, wird sich sicherlich eine für Sie geeignete Lösung finden lassen – wir möchten Ihnen die Chance geben, auch diesbezüglich alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Ausbeutung sind wir gewohnt. Ob das nun wir selbst machen oder Sie, spielt im Grunde keine Rolle.

Drittens: Wir sind effizient. Und wir haben grosses Verständnis für die Probleme, die sich Ihnen im Moment stellen. Arbeitskräfte kosten. Aber wir sind wenige und wir arbeiten schnell, dynamisch und zuweilen kreativ: Unser Wissenschaftsjournalist Roland Fischer befindet sich bereits in der Endphase für den Launch eines umfassenden Textroboters – Sie kennen das Konzept. Der Textroboter mit dem sympathischen Namen Roli wird einen Grossteil der anfallenden Texte übernehmen, die heute in der Produktion viele teure Stunden binden.

Inhalte kosten schliesslich auch. Und genau darum wollen wir Ihnen nun kurz darlegen, wie sich unsere Vision «Zwei Titel aus einem Guss» ausgestalten würde.

Wir schlagen eine dringend nötige Entstaubung vor. Unsere Kunden sollen die Zeitungen off- und online künftig mit zwei intuitiv verständlichen Bünden / Ressorts erleben können. Mit packenden und bewegenden Tagesthemen aus Zürich und der Welt versorgen uns im ersten Bund die Kollegen der Zürcher Zentralredaktion. Die bisherigen thematischen Fassungen «Sport» und «Kultur» werden im Bund «Erleben» vereint. Meldungen aus dem Breitensport und aus den Randsportarten fallen aufgrund niedriger Klickzahlen weg, einziges sportliches Tagesthema bleiben die Spiele der Young Boys, sofern sie denn von überregionalem Interesse sind – etwa bei Partien gegen den FC Zürich oder den Grasshopper Club Zürich, ferner in Meisterschafts-Endphasen als auch zu Cupfinalspielen bei Zürcher Beteiligung.

Geschichten mit hoher Relatability (beispielsweise: Eishockeytrainer an Krebs erkrankt, zu Besuch beim Traumpaar Behrami-Gut, Hund rennt auf Spielfeld, dann passiert etwas Unfassbares …) ergänzen den Themenmix. Für weitere Auflockerung sorgt qualitativ hochwertiger und packend geschriebener Sponsored Content aus dem Outdoor- und Freizeitsegment, der in fruchtbarer Kooperation mit Partnern (Ski- und Klettergebiete, Outdoor-Ausrüster, Reisebüros etc.) realisiert wird.

Selbstverständlich soll das kulturelle Geschehen weiterhin abgedeckt sein. Auch hier gilt unser Kredo: reduce to the max, no bullshit. Klassische Rezensionen in den Bereichen Oper, Theater und Konzert werden aufgrund schlechter Klickzahlen eingespart. Gerade die Oper als ineffizienter und intellektualisierter Ressourcenverschleiss wird sich – das bekräftigen verschiedene unabhängige Think Tanks der Zukunftsforschung – in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten ebenso selbst abschaffen wie ineffiziente Redaktionsstrukturen mit Luxuseinrichtungen (Korrektorat, Abschluss, Reportagenfonds etc.). Als Medium der Zukunft setzen wir entsprechend auf die Kultur der Zukunft: Netflix-Serien. In zugänglicher Sprache sollen unsere Kunden mit den neusten Trends und Musts aus der Welt des Streamings versorgt werden. Eine kostenlos produzierte, wöchentliche User-Kolumne (etwa «Netflix und ich», «Serienjunkie») erhöht die Crowd-Relatability und bindet das zentrale Anliegen des Community-Managements in die redaktionelle Sphäre ein.

Vergessen Sie nicht: Die Berner Kundinnen und Kunden sind träg und nostalgisch veranlagt. Gerade weil sich das Zielpublikum mit einem Leben in der Kulturwüste abgefunden hat, neigt es zu einem Bedürfnis heimatlicher Selbstvergewisserung. Diese lokale Eigenart gilt es mit kostengünstigen Lösungen zu bedienen. Denkbar wäre hier etwa eine mittels Textroboter Roli generierte Mundart-Kolumne, die auf der Basis von Liedern (Mani Matter, Rumpelstilz, Patent Ochsner) und leichter Prosa (etwa von Pedro Lenz) ein «heimeliges» Gefühl und somit Bindung herstellt.

Das sind nur einige der Visionen, mit denen wir Ihr Interesse zu wecken hoffen. Wir sind uns bewusst, dass auch wir als (ehemaliges) KSB Kulturmagazin bisweilen provinziellen Anwandlungen erlegen sind – und wären umso glücklicher, diesbezüglich von Ihrer Erfahrung lernen zu dürfen. Und lassen Sie sich nicht von der Länge dieses Schreibens in die Irre führen. Es soll das letzte Mal sein, bevor wir kurz und knackig in eine gemeinsame Zukunft stechen. Denn: Uns liegt ein marktfähiger Journalismus für das Zielpublikum Zürich-West ebenso am Herzen wie Ihnen!

Überlegen Sie sich gut, ob Sie diese Reise wirklich mitmachen wollen.
Es könnte Sie günstig zu stehen kommen.

Alice Galizia und
Mirko Schwab
Für das KSB Kulturmagazin