Worte aus dem Automat

Auf dem Helvetiaplatz steht seit dem 21. August der Autormat. Wenn man Münz einwirft, kommt ein Ticket raus:

Bern Helvetiaplatz, 01.09.2020
Gültig Für: immer
2. Kl. <–> 1/2 CHF 0.50
Für die Störung bitten wir Sie um Entschuldigung

Der Verein Buchowski, der vor bald zehn Jahren das Büchertram initiierte und seither mit verschiedenen Projekten aktiv ist, hat ihn dort hingestellt und mit Texten gefüttert, die unter den Fahrkartenformalitäten auf den Tickets gedruckt stehen. Schulklassen aus dem Kirchenfeld, die Museen, zwischen denen der Autormat steht, und um die 30 Berner Autorinnen und Autoren haben Texte beigetragen. Als ich 50 Rappen einwerfe, kommen Worte von Andrea Maria Keller raus:

Im Netz der Wäsche-
spinne zappeln farbenfroh
die Sommerkleider.

Mit der nächsten Münze spuckt die Maschine drei Zeilen von Emma Hügli aus der 3b der Primarschule Kirchenfeld aus:

Ich kenne einen
kleinen Dieb. Der heisst Dani.
Wo ist meine Uhr?

Literatur im öffentlichen Raum also, interaktiv und unter Einbezug der näheren Umgebung. Auch auf der anderen Seite der Stadt findet man beim zufälligen Vorbeispazieren diese Idee, ähnlich gedacht, aber in eine andere Form gebracht. Dafür geht man vom Autormat am Helvetiaplatz runter an die Aare, am besten wenn sie viel Wasser trägt, dann an den Bären vorbei (geht es denen eigentlich gut?), die Schlaufe zum Altenberg, durch den botanischen Garten in die Lorraine hoch, bis zur Bärner Brocki und und noch ein paar Meter weiter.

An der Ecke Blumenweg / Dammweg hat das Kollektiv Palazzo in einem verlassenen Schaufenster eine kleine Galerie eingerichtet, mit Fokus auf das Quartier und auf ein divers kuratiertes Programm. Aktuell hängen unter dem Titel «Funktionieren – oder auch nicht» Gedichte und Zeichnungen von Ste Haudenschild hinter der Scheibe, beim Vorbeispazieren jederzeit von aussen einsehbar.

Der Autormat steht noch bis Mitte November auf dem Helvetiaplatz und spuckt für eine Münze Worte aus. Der Erlös geht an Writers in Exile. Was im Palazzo passiert, erfährt man, wenn man auf dem Weg ins Kairo oder in die Zoobar dort vorbeikommt.