Yo there

Medienplatz Bern und jetzt? Der Berner Medientag hat vorgestern zum virtuellen Podium geladen. Über achtzig Interessierte schalten sich zu, um die Diskussion mit Stephanie Vonarburg (Gewerkschaft Syndicom) und Jürg Steiner (Pilotprojekt «Neuer Berner Journalismus») zu verfolgen. Auch KSB (das) ist irgendwo mit von der Partie: Galizia und Fischer reihen sich ein, der schreibt «Yo there!» und versendet an alle. Niemand antwortet –

Klar: Die Zwangsehe von BZ und Bund ist nicht mehr aufzuhalten – und Lust auf Business-Lunch mit Daddy Pietro hat in der Hauptstadt niemand mehr. Also haben sich 15 Journalist*innen zusammgerauft, «Neuer Berner Journalismus» heisst das Projekt: Ideen zu einem lokaljournalistischen Onlinemedium müssen dringend her, denn es ist der Blick für das Städtisch-Eigentümliche, das Gespür für die distinktiven kleinen Sorgen, den lokalen Sport, die lokalen Wahlen, das verpachtete Lorrainebad oder den Aushub des Bümplizer Friedhofs – unvermeidlich weggerechnet im neuen «Berner Bund» – darüber sind sich alle einig.

Auch klar: Es werden nicht Themen weggespart, sondern Menschen. Frau Vonarburg von der Gewerkschaft hat der Expertise wegen wenig Erfreuliches anzubieten, was den medialen Arbeitsplatz Bern in nächster Zukunft betrifft. Denn «Berner Bund» heisst: zweimal die gleiche dünne Scheisse zum doppelten Inserattarif und im pelzigen Zürcher Würgegriff («Mantel», für die kalten Tage). Wir brauchen Visionen.

Es ist eine vorsichtige Runde. Zu viel Enttäuschung hat sich über die Jahre angesammelt, zu viel sehr reale Zukunftsangst – sodass sich Steiner irgendwann zur Aussage hinreissen lässt, dass es für den Berner Medienstandort, was die Arbeitsplätze betrifft, ja gar nicht so schlecht wäre, würde das eher nebulöse Gratiszeitungsprojekt des Verlegers Norbert Bernhard, geplant schon für Herbst 2021, tatsächlich zum Fliegen kommen.

Okay, wann hat ein Podium zuletzt auch nur die kleinste Welt verändert? Und visionär werden per Videokonferenz am Montagabend nach dem Znacht? Die Ausgangslage ist hart. Steiner gibt sein Bestes – oder was der Forschungsstand im Labor des «Neuen Berner Journalismus» eben hergibt. Wie darf man sich das vorstellen, dieses zukünftige Online-Medium? Gibt es Platz für Partizipation? Und was ist mit Kulturjournalismus? Steiner beantwortet die dringendsten Fragen besonnen und wiegelt noch den flachsten Anflug von Euphorie geschickt ab. Es sei zu früh für die grossen Töne und ein konkretes Produkt habe man noch nicht im Blick. Es werde sich zeigen müssen, wie das Medium finanziert werden könne. Der Vergleich mit dem Basler Projekt Bajour oder gar eine Republik für Bern – davon will man im Moment nichts wissen. Und eine kulturjournalistische Perspektive? Ehm, da habe man sich jetzt noch gar nichts überlegt dazu.

Einigermassen ernüchternd also, die ganze Geschichte, und natürlich fehlt der Apéro, der nach dem trockenen Teil vielleicht die nötige Grossspurigkeit ermöglichen könnte. Fischer zieht unbeachtet von dannen und Galizia klickt sich auch bald aus, man sitzt wieder allein in der Küche und trinkt den letzten Rotwein aus. Dreissig und mehr Jahre in dieser Branche bedeuten dreissig Jahre Erfahrung und Erinnerungen an die Arbeit an der Schreibmaschine, aber auch einen Haufen Frust, der sich wohl nicht einfach so wegimaginieren lässt. Man wolle realistisch sein, heisst es beim «Neuer Berner Journalismus». Vielleicht brauchts auch vom Gegenteil, denn realistisch sind sie ja in Zürich schon genug.