13 Prozent Frauen in unseren Lieblingsclubs

Wir wissen ja schon länger, dass Frauen auf Konzertbühnen massiv untervertreten sind, dass es da irgendwie ein kleineres Problem gibt. Gerade bei den grossen Festivals ist immer wieder von prekären Quoten die Rede. Die Booker booken halt die grossen Acts, jene die das Publikum anziehen, Männer mit Gitarren zum Beispiel, Labels werden von Männern geführt und nehmen Männer unter Vertrag und die Booker sind meistens auch Männer. Das Greenfield zum Beispiel glänzte noch 2017 mit 7% weiblichen Acts. Aber wie schaut es eigentlich in den Berner Clubs und Konzerträumen aus?

Luz Gonzalez hat für ihre Bachelorarbeit fünf Berner Clubs und Konzerträume auf die Repräsentation von Frauen im musikalischen Programm untersucht. Die Analyse der gesammelten Daten zeichnet ein fast ebenso prekäres Bild wie es die grossen Festivals präsentieren. Auf den Bühnen der analysierten Berner Clubs im Jahr 2018 standen total knapp 87% Männer – und damit 13% Frauen. In konkreten Zahlen: 2361 Männer, 376 Frauen. Gegenstand der Untersuchung: Dachstock, Dampfzentrale, Gaskessel, Kapitel und Rössli. Orte, an denen die Szene gern verkehrt, eine Szene die alles andere als eine unideologische ist und sich eigentlich darin einig, dass solche Zahlen nicht tragbar sind.

Am besten schneidet die Dampfzentrale mit 33.11% ab, dann folgen Kapitel und Dachstock mit je etwas über 11%. Rössli und Gaskessel bewegen sich beide unter 10%. Isoliert ist in der Analyse der Frauenanteil in der elektronischen Musik, bei der die fünf Clubs total knapp 12% erreichen, die Dampfzentrale schafft es zwar sogar in diesem Bereich auf ganze 30%, aber der Dachstock zieht mit knapp 6% den Schnitt runter. Klar, elektronische Musik, da muss man irgendwie mit Kabeln, coolen Geräten und Technik, das können Frauen halt nicht so gut. Das denkt sich zwar wirklich niemand von den Berner Bookern und Bookerinnen, aber es sind solche realen Ideen, welche die Chancengleichheit nicht grad einfacher machen. Und die ganzen homosozialen Netzwerke in der elektronischen Clubkultur, aber auch sonst in der Szene, gibt es ja auch noch.

Doch was tun für eine Verbesserung der Repräsentation von Frauen und für mehr Vielfalt auf den Bühnen? Eine im Gesetz verankerte Quote? In Argentinien zum Beispiel gibt es sowas. 2018 haben sich um die 700 Musikerinnen aus dem ganzen Land zusammengetan, um eine Frauenquote an Musikfestivals von 30% durchzusetzen. Paula Maffìa, eine der Initiantinnen sagte dazu in einem Interview: «Niemand möchte Teil einer Quote sein. Es ist schrecklich. Die Quote ist ein Notfallmassnahme.» Aber Maffìa war der Meinung, dass das sein musste, denn die Repräsentation von Frauen an argentinischen Musikfestivals war miserabel. Und so kam das Anliegen nur ein Jahr später vor das Parlament und wurde fast einstimmig von einer tendenziell konservativen Regierung angenommen. Seit November 2019 ist diese Quote in Argentinien gesetzlich verankert. Aber das ist Argentinien, ein im Vergleich zur Schweiz sehr progressives Land, was zumindest die politische Gleichstellung betrifft, nicht zuletzt, weil es ein Land ist, in welchem in kürzesten Intervallen die Machtverhältnisse umgewälzt werden, sei es durch korrumpierte Wahlen oder Militärputschs. In der Schweiz sind solche rasanten Entwicklungen undenkbar, man erinnere sich an den langen Weg, den es zu überwinden galt, bis das Frauenstimmrecht landesweit durchgesetzt war.

Luz Gonzalez hat nach der Auswertung der Daten die Statistik den Bookerinnen und Bookern der analysierten Clubs vorgelegt, Gespräche geführt und Fragen gestellt: Existiert tatsächlich eine Chancenungleichheit für Frauen in dieser Branche? Inwiefern hängt ein niederschwelliges Programm, wie es etwa im Rössli stattfindet, mit der ungleichen Repräsentation zusammen? Bedeuten Subventionen, dass man mehr Kapazität hat, ein ausgeglicheneres Programm auf die Beine zu stellen? Natürlich sind die Befragten keine Gleichstellungsspezialisten, aber sie kennen das Game und sie kennen das Problem mit der Frauenrepräsentation sehr gut, sie sind Teil eines Netzwerkes, dessen Verknotung eine positive Entwicklung Richtung Chancengleichheit und Gleichstellung erschwert. Aus dieser Position heraus ergaben sich reflektierte Gespräche, denn natürlich ist man sich des Problems bewusst. Aber irgendwie weiss man halt auch nicht so recht was machen, denn es ist ja ein Symptom eines strukturellen, gesamtgesellschaftlichen Problems. Deshalb schliesst Gonzalez mit dem Thema Verantwortlichkeit:

«Dagegen können die Bookers nur begrenzt agieren. Aufgeschlüsselt sehe ich bei dieser Tatsache zwei Hauptmerkmale. Einerseits ist die Verantwortung bezüglich Frauen*Repräsentation und Handlungsfähigkeit, welche die Bookers tragen, begrenzt. Andererseits wird es um so wichtiger, die Tiefe der Problematik aufzuzeigen, dass sie wahrgenommen und behandelt wird.»

Als Lösungsansatz formuliert Gonzalez: Keine Quote, dafür aktive Förderung und Vernetzung. Deshalb endet die Bachelorarbeit ganz pragmatisch mit dem Entwurf eines Verzeichnisses weiblicher, trans, inter und nicht-binärer DJs und Produzentinnen aus Bern.

Mir gefällt Gonazlez’ pragmatischer Ansatz und ebenso wie Paula Maffìa finde ich eine Quote grausam. Niemand will aufgrund der Quote buchen oder gebucht werden. Nur ist man als Frau auf der Bühne doch angesichts der Umstände immer auch ein wenig Quote, Aufstockung des Karmas der Gendergerechtigkeit, denn diese ist wichtig, da ist man sich einig. Vielleicht könnte man in den betroffenen Clubs trotzdem einfach mal einen Monat lang nur Frauen aufs Programm setzen, wie es zum Beispiel der Sender in Zürich letzten Dezember getan hat. Das ist zwar keineswegs unproblematisch, aber es ist eine gute Übung, um herauszufinden, ob es wirklich so schwierig ist, Frauen zu buchen. Und wie sich die Stimmung im Club anfühlt, wenn mehr Frauen da sind.

Aber eigentlich ist es mir völlig egal, wie man das Problem angeht, ich will einfach verdammt noch mal mehr Vielfalt auf den Bühnen, mehr weibliche Vorbilder und weniger Probleme mit sexistischen Acts. Und ich will das Gefühl haben, dass sich irgendwas Richtung Gleichstellung verändert. Ich will sehen, dass sich Kulturschaffende im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Vielfalt einsetzen. Ich will das auch anerkennen und mich bedanken für alle Bemühungen, die in diese Richtung unternommen wurden und werden. Für alle Festivals und Konzertreihen, welche die Ungerechtigkeit mit einem vielfältigen Booking immerhin ein wenig ausgleichen, ohne dass sich dabei männliche Booker gleich als besonders woke inszenieren müssen. Aber knapp 13% Frauen auf den Bühnen unserer Lieblingsclubs? Da ist definitiv noch Luft nach oben.