Insta/nofilter: Kurzer Betrachtungsfluss kaputter Sachen

Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).


Kopfzerbrochen über der Krux kaputter Sachen dieser Tage auf meinen Nachhausewegen – wer lieber den Kaputti-Style pflegt, statt sich mit Mascara zu schminken, hat darüber zu denken. Jessica hatte mir am Montag an der Redaktionssitzung ein Büchlein ausgeliehen: «Das Ideal des Kaputten», ein Schraubenzieher alleine hilft da nicht weiter. Am Dienstag Schluss mit lustig in der Küche, schneide mich an der abgedrehten Kante meiner Bialetti: Bluttropfen mischen sich mit Aluminiumspänen und Kaffeepulver auf dem Terrazzo – ich brauche Hilfe. Ich brauch Reparatur.

Meine kaputten Schuhe kann nur der Italiener beim Bubenbergzentrum in seinem Schlüsselladen schön besohlen. Für die kaputte Benzinpumpe brauch ich den Bärtschi in der Lorraine. Der kaputte Schlauch vom Cilo geht knapp noch selbst, das hat mir der Alexander aus dem Q-Hof mal gelernt. Bei kaputten Hosentaschen gehe ich an den Hirschengraben und kauf im Bernina-Laden Sternli-Faden, der schwarze mit der roten Spule – Nadeln hab ich noch von Grand-Maman. Für die kaputte Schreibmaschine zahlt die Haftpflichtversicherung. Für das Ersetzen des kaputten Innenfutters meiner blauen Lederjacke will der Mann mit dem weissen Rossschwanz in der Läderbuttig an der Speichergasse zweihundertfünfundneunzig Franken – ich habe nicht genug Geld.


Von meiner kaputten Leica Minilux will der Foto Zumstein gar nichts wissen, von einem kaputten Freund will seine Familie nichts mehr wissen, von einem kaputten Rücken will der Arzt in der Insel nichts wissen – von Jessicas kaputtem Telefon will niemand nichts wissen, weil flicken den Markt bremst, also: Wer nicht flicken will – soll sich ficken. «Mach kaputt, was dich kaputt macht!», schrie einst Rio Reiser von Ton, Steine, Scherben. Der beste Bandname aller Zeiten. Ton klingt beim Zerbrechen, Steine fliegen durch Scheiben und machen Scherben. Du siehst was passiert, der gute alte Newton, du verstehst – in der Arabergasse knien kaputte Menschen neben einem Velo und versuchen es zu reparieren. Die Kette ist vom grossen Ritzel gerutscht und hat sich im Umwerfer verklemmt, beim Rückwärtstreten. Sie schaffen es und feiern, klatschen ab mit schwarzen Händen, es ist ihr grösster Coup seit langem. Sie sind stolz, für Sekundenbruchteile unabhängig – das Ideal des Kaputten.

Wer Handfesteres zu den Vorzügen der Reparaturerfahrung erleben will,  lese «Die Kultur der Reparatur» von Prof. Dr. Wolfgang M. Hecks oder gönne sich einen Spaziergang entlang städtischer Werkstätten. Zeitgeistig und für Haushaltsgeräte zur Reparaturwerkstatt «heicho» in der Alten Feuerwehr Viktoria beispielsweise, alternativ dazu die Oldschool-Variante für Röhrenbildschirme und Desgleichen in der Längsasse bei Franco Elias Technico / Electric Laden.