Insta/nofilter: Try

Man könnte meinen, der Sonntag gehöre der Andacht. Und weil es draussen regnet und zumutend kalt geworden ist, weil es vor Sonnenuntergang dunkel wird und die Nacht die letzten verstreuten Jubelnden gerade verschluckt, wähnt man sich hier, im warmen Dachstock, tatsächlich im Bauch eines Schiffs. Von draussen hört man die Gitarre kaum. Drinnen sitzen die meisten, am Boden und auf der unbehangenen Garderobe, verschüttelt vom Samstag, vom Freitag, von all den Tagen der vorigen Woche.

Nun waren wir lange nicht hier, also ist alles ein wenig anders. Aber schlüssig komponiert: In der Mitte des Raumes sitzt Dimitri Howald, spielt frei seine Gitarre, drückt und tüpft in Socken seine Gerätschaft an. Er schaut nach vorne wie alle anderen auch, dahin, wo normalerweise getanzt wird und wo jetzt Yoftahe Effrems Bilder hängen, zu fünfen im Halbkreis. Ein solcher Abend braucht schliesslich keine Kanzel und keine Bühne. Im angedeuteten Halbkreis auf der gegenüberliegenden Seite die Gemeinde, versammelt zum Schauen und zum Hören. Ab und zu stellt sich jemand vor ein Bild, ab und zu geht ein Getränk über die Bar. Heute scheint das lauteste Gespräch ein Munkeln.

Eine Kirche aber ist das nicht. Andächtig ist es deswegen, weil im Grunde keiner still sein muss, aber wohl nicht anders kann: Das Wochenende war lang, viel Alkohol mag niemand mehr verleiden und das hier ist eine der wenigen Möglichkeiten, dem Loch geradeso zu entkommen. Müde Gesichter, aufgehoben.

Natürlich gibt es auch einen, der gut aussieht. Yoftahe ist rechtzeitig fertig geworden, sagt er, später, als Dimi eine Pause macht und mehr Gespräche, immer noch leise, durch den Raum gurgeln. Zufrieden schaut er aus, man möchte fast sagen: er leuchtet. Seine Bilder sind ruhiger als jene der letzten Ausstellung, die wild auf die Deckel von Palettenrahmen geworfen waren und so wirkten, als wollten sie am Rand lieber gar nicht Halt machen. An Leben jedoch haben diese hier nichts verloren. Vor allem aber sieht man dieser Arbeit die Präzision an. Schliesslich gibt es die Leichtfüssigkeit, mit der sich der Maler heute bewegt, nicht umsonst.

An der Bar trinkt Yoftahe einen Schnaps. Als die Stimmung lauter wird, müssen wir gehen. Das Schiff spuckt uns hinaus ins Wasser.

Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).