Insta/nofilter: Une semaine folle

Insta/nofilter: unverdaute, betrunkene, nachtwache Kultureindrücke. Rausgeschossen als gäb’s kein Morgen (dabei gibt es natürlich immer eins).


Wir ziehen Linien, am Boden – mit Gaffa. Dreipolkabel festmachen, damit niemand am Licht stolpert. Im K-hole war das und am Mittwoch, seither ein einziger, verschmierter Tag mit verschiedenen Nächten. In der ersten meine Schreibmaschine kaputtgefahren mit dem Auto. Licht hat mich geblendet. Donnerstag läuft ein Schiff auf – Cruise Ship Misery im Rössli und Leute müssen sich an der Reling festhalten, weil die Barhocker über Bord gegangen sind. Auf der Brücke stehen zwei Frauen und singen und steuern ein elektronisches Klavier. Leute gucken dumm, weil die Titanic auch ohne sie untergegangen ist und in den Kabinen ziehen Leute Linien und gehen über die Planke.

Wir ziehen Linien, an ihnen entlang bis Fribourg Sud, Freitag, in einem Auto, das aussieht wie Quasimodo – Strong Legs Man, das Mäxli, Funk Bastard und ich. Frison zu Kamasi Washington. «We don’t have to look the same, to be the same, halleluja.» Jazzuniversalismus à l’ancienne – passgenau zum Retroism dieser Bande, wie ein italienischer Lederschuh auf den Dandyfuss. Neben mir steht eine Welsche: «A cause de ça je préfère les anglais, ils sont cons c’est sûr, mais ils sont moins débiles.» Lachen und dann weinen, weil dieser Sound trifft, trotz Esoterik – Gedanken an Gill Scott Heron, rest in peace.

Zurückziehen, ein paar Stunden in der Horizontalen und dann wieder raus. Am Boden der Bushalte liegt ein Armband aus Zuckerperlen in einer Pisslache. Ein Hund leckt daran. Neben mir wartet eine schwarze Perücke, darunter zerflossene Schminke, Warzen, Paillettenkleid – Fastnacht ist ja auch noch. Ringen nach einer korrektiven Idee – Ich denk daran wie viele Menschen ich in den letzten Tagen umarmen durfte. Schwule, Heten, Frauen, Männer – scheissegal – ein Moment der Demut. Das wahre Sozialkapital sind Umarmungen, keine sind der Würgegriff. Dann Kniebeugen, runter beim Heben, damit der Rücken nicht bricht, Anlage ins Auto und Richtung Zeughausgasse – Göldin und Bit und Daif und Anna sind seit K-Hole schliesslich zu Besuch und heute nochmal in der Stube zu Kuchen und offenen Pupillen. Wir singen über Linien, wider die Geraden, widerlichster Lebensentwurf – einer mit Ziellinie. Eine schiefe Ebene weit weg von der Stube wummert die Dampfzentrale, Kia Mann und S S S S spielen zusammen, gehen zusammen, Ron Morelli ist auch da – Punk und Klub gehen zusammen, spielen zusammen. Wir denken an sie in der Küche, aber schaffen es nicht mehr runter. Zu warm ist es hier, Linien ziehen sich höchstens noch im Hintergrund. Es ist friedlich, jetzt ist Sonntag, eben in Armen erwacht.