Inzestalarm und Beutelpest

Der Kulturbeutel ist eine Institution. Sonntag für Sonntag wird die Berner Kulturlandschaft nach den aufregendsten Anlässen der kommenden Woche untersucht. Oft unter prekären Umständen: Nicht selten sind die Autor*innen noch wach oder schon wieder betrunken – und sehen die Tastatur kaum vor sich. Mit der letzten Ausgabe aber werden tiefgreifendere Vorwürfe offenbar: Der Kulturbeutel ist von Vetternwirtschaft und persönlichen Interessen geradezu zerfressen. Ein Whistleblow-Job, ein Geständnis.

Redaktionssitzung am Küchentisch. Autor Kuratle erzählt, wie er vor dem Verfassen seiner Beuteleinträge jeweils die Berner Kulturagenda konsultiert, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er ist damit allein. Gelächter und Husten. KSB ist krank, vergiftet – ist es die Beutelpest?

Wissenschaftsjournalist Roland Fischer versucht die Vorwürfe zu entkräften: «Wer – wie ich – einen engen Kontakt zum Astronomischen Institut der Universität Bern pflegt, der weiss: Bern ist vom Universum aus gesehen schon recht klein. Da kann es zu Überschneidungen kommen.»  Doch wer genau hinsieht, lässt sich von solchen Rechtfertigungsversuchen kaum um den Finger wickeln.

Zu augenfällig sind die Verstrickungen: Sexuelle Beziehungen, karrieristische Interessen, Freundschaftsdienste. Eine Filterblase sitzt im Kreis und wichst. Manche Autor*innen suchen die Verbandelungen zu verwischen, indem sie jemand anderes über die eigenen Veranstaltungen schreiben lassen. Oft auch gegen Geld. Andere sind indes draufgängerischer: Roland Fischer und Urs Rihs, sie empfehlen sich im jüngsten Beutel gleich selbst. Es dürften Charaktereigenschaften einer unreflektierten toxischen Männlichkeit sein, die solche Alleingänge hormonell befeuern.

Aber auch Internet-Feministin Jurassica übt sich in der schmierigen Praxis. Für viele ihrer Follower*innen gehört damit das Bild vom «weiblichen Robin Hood der Medienwelt», das Jurassica selbst gerne sozialmedial bespielt hat, endgültig einer verklärten Vergangenheit an. Die bröckelnde Fassade der Selbstvermarktung ist entlarvt.

Doch mit dem Pranger ist es nicht getan: Es geht nun darum, diesen eitlen Sumpf entschieden auszuheben. Und auf dessen Grund das einst funktionierende Ökosystem einer blühenden Kulturlandschaft wieder gedeihen zu lassen. Fischer weiss: «Ökosysteme sind komplex. Das braucht Zeit. Und überhaupt: Wer weiss schon, wie Käse und Hip Hop wirklich interagieren?»

Es sind auch solche Aussagen, die beweisen: KSB braucht die Hilfe der Leser*innen. Dringend. Wir fordern dazu auf, uns über die besten Kulturtipps in Kenntnis zu setzen. Anlässe von Menschen, mit denen wir nicht ins Bett steigen, denen wir weder Geld noch Gefälligkeiten schuldig sind. Schickt sie uns per Mail zu, heftet eine hübsche Begründung daran (unbegründete Hinweise werden als Spam empfunden und schmälern die Chance auf eine Besprechung drastisch.) Nur gemeinsam können wir es schaffen! Oder wie Philosophie-Redaktor Rihs sagt: «Nach einer Katastrophe liegt im gesamtgesellschaftlichen Schulterschluss die grösste Kraft! Die Katastrophe und die Katharsis gehören zusammen wie die zwei Seiten eines Blatts Papier.»