Kulturbeutel #106

Der Urs empfiehlt: Kino Rex heute Abend um acht, die Vorpremiere von Il Mio Corpo im Beisein vom Tessiner Regisseur Michele Pennetta. Sein Film verspricht eine humanistische Annäherung an die Geworfenheit, erzählt anhand zwei junger Lebensgeschichten, die sich auf Sizilien kreuzen. Aber ganz ohne neues Evangelium oder dass jemand Gott zu spielen braucht – das macht Hoffnung.

Mutter Spaghetti empfiehlt: Support für den Gastrostreik, der ab heute Montag zum Datenstreik aufruft – da Gastrobetriebe von jetzt an gezwungen sind, sämtliche Daten ihrer Gäste digital aufzunehmen und direkt an die kantonalen Behörden weiterzuleiten, zwecks zentraler Datenbank – und ohne Klausel, diese irgendwann wieder zu löschen, nicht einmal nach Pandemieende (wie es immerhin bei der Swiss-Covid-App der Fall war). Der Gastrostreik fordert Eigenverantwortung der Gäste statt Repression gegenüber den Betrieben, die schliesslich keine Polizist*innen angestellt haben und auch nicht zu solchen werden wollen. Zur Medienmitteilung des Kollektivs Gastrostreik geht es hier, ein ausführlicher Artikel zu Funktion und möglichem Missbrauch des Systems bei den Kolleg*innen der Republik. Und überhaupt: Misstrauisch bleiben, auch wenns ums Fressen geht.

Schwab empfiehlt: Wer mit Kater ins Coop am Europaplatz stolpert, dem kanns passieren – alles zu hell und zu bunt, im kapitalistischen Blumenmeer nichts zu erkennen, ausser die Gesamtheit aller Farben, um Hilfe blinzeln, während die Luft langsam ausgeht unter der Maske und der grobe Fehler zuzugeben ist: Ich hätte mich nie auf diesen Brunch einlassen sollen, jetzt der blinden Expedition Tahina ausgeliefert, haben Sie Tahina? Was? Tahina! Für Hummus! Aha, für Hummus! Ja, kommen Sie, da hinten, da hats Hummus! Aha – nein, ich will keinen Fertighummus! Die wollen Tahina, ich weiss ja auch nicht, die wollten heute Brunch … Und man sucht selber weiter, fühlt sich beobachtet, steht vor die Regale in unverbindlicher Distanz, versucht, etwas zu erkennen, mit diskretem Abstand, schau da: «Exotische Produkte», da muss das sein, da gehört das hin, zu den Neophyten aus Thailand und Mexiko, aber nichts da, ausser neben mir der Typ, der steht jetzt auch schon eine Weile, auch nach einer Verlegenheitsschlaufe zum Brot ist er noch da und einer weiteren zum Gartenzubehör. Der Mann blinzelt ähnlich ratlos in die weite Welt, studiert internationale Beziehungen wie ich, das gibt doch Halt, wir tauschen einen nassen Blick und dazu fortwährend aus dem Ladenradio, für heimelig oder fernwehleidig, für herzwarm «weisch no?», gerade jetzt, in dieser schweren Zeit, trotz oder mit Guacamole, Thaipaste, Kikkomansauce und dem Nahostkonflikt: Patent Ochsner und Rumpelstilz und schliesslich Gölä, der kauft sich sein Ticket und fährt ab, verstehe, ich dann auch, aber ohne verfickte Tahina.

Warum nicht alle «Mundartmusik» zur Hölle fahren muss oder was der Playlist im Coop Europaplatz gut angestanden wäre: Irma Krebs aus Bern, die haben ein Album gemacht, es heisst «Grüessech Grüessech» und nimmt den Faden dort auf, wo der Huber im Sonnenblumenöl seiner eigenen Poesie ersäuft, der Pfeuti längst abgeflogen ist und neben Hofer selig gerade gar nichts liegt im Heu. Eine sympathische Herrenband, mit Liedern über Schnaps, seltsame Quartieroriginale und das Pornokino um die Ecke, eine Jazzband, die beim Bräteln im Wald über Jimi Hendrix und Gitarrensounds berät und die heute einfach keinen Jazz dudeln mag – wobei, ein bisschen Jazz, das hätte auch noch geholfen am Europaplatz, man stelle sich das einmal vor.

Fischer empfiehlt: Wieder mal über den Röstigraben schauen in Biel. Pascale Güdel bringt einen Text der famosen und hier ennet dem Graben kaum bekannten Douna Loup auf die Bühne, Jessanna Nemitz macht raue Musik dazu: Lettres de la chambre secrète, im noch nie besuchten Nebia Theatre.

Galizia empfiehlt: Im Eigenheim im Steigerhubel werden die leergemachten Räume wieder gefüllt, es wurde uns zugetragen und mehr wissen wir auch nicht, ausser: Donnerstag Vernissage, Sonntag Performance. Mehr Werbung ist nicht und Erwartungen sowieso überschätzt, also einfach mal schauen gehen, am Donnerstag gegen Abend – sicher ist da eine Bar und eine Terrasse zum drauf Sitzen, Leute zum Reden und eben Kunst, zum Herausfinden. An der Steigerhubelstrasse 120.