Du siehst aus, als hätten sie dich aus London eingeflogen, sage ich zu Till an einem Hausfest, als noch Sommer ist und sich die Welt zumindest halb normal anfühlt. Unter einem Fischerhut hat er vorhin beim Auflegen hervorgelugt, Trillion Tapeman im schlecht beleuchteten Keller, man hat eh nichts gesehen; dafür hat alles vibriert: Breakbeats vor allem, dass die Lamettadeko von der Decke zitterte. Der Hut sei da, damit er sich drunter verstecken könne, sagt Till, aber weisst du: Ich bin einfach zu gross. Man sieht mich trotzdem.
Sehr ernsthaft sagt er das, aber aus London kommt er trotzdem nicht. Und geht dann bald, durch den schon hellen Garten. Jetzt ist fast Winter und Vibration furchtbar nötig geworden, die Drehungen und Windungen im Magen, in den verschiedenen Ausführungen, die der Bass da unten auslösen kann.
Hören und fühlen: Trillion Tapeman hat ein Kassettli gemacht, eines von 1.000.000.000.000. Anti-Territorial Expansion Space – Raum auftun, ohne auszuschliessen. Raum auftun, ohne zu begrenzen.
Das Tape klingt ein wenig, als hätten sie es aus London eingeflogen, mindestens mit einem Raumschiff. Es strudelt durch die Atmosphäre und darüberhinaus, durch einen Ort, von dem wir fast nichts wissen – trotz Simulationen, Modellen. Der erste Track: Klingt auch ein wenig wie ein Intro auf einem grossspurigen Rapalbum, es müsste nur noch einer mit tiefer Stimme darüber ankündigen: Welcome To The Darker Space. Auf festem Boden steht die Kapsel ohnehin erst, als Zooey Agro am Horizont auftaucht. Komm, lass es erst einmal landen.
Trillion Tapeman macht Räume auf: London, das ist auch Grime, also Dreck; wir befinden uns hier irgendwo in den Ritzen, wo man mit dem besten Putzmittel, mit dem besten Willen nicht hinkommt. Wo der Schmutz klebt und nicht wegzukriegen ist. Da nimmt sich Zooey Agro ihren Platz, ist streng und unaufgeregt, sie schreit im Keller die Wände an, aber leise. Wenn das Wut ist, dann stark konzentrierte, kontrollierte. Zuhören tut man ihr sowieso. Dass es aber in der Dunkelheit nur düster sei, ist sowieso eine Lüge (als Kind war die Höhle unter der Bettdecke der wärmste Ort der Welt). Die Augen gewöhnen sich und Zooey ist bei aller Härte immer warm.
Trillion Tapeman macht Räume auf und wirft sich selbst hinein, sie zu erkunden, ihre Oberfläche, ihre Struktur, wie fühlt sich das an? Wenn man drüberstreicht, sie antippt, anklopft, draufhaut? Und das darunter? Es kommen ihm viele Einfälle, die Tracks sind dicht und voller Verweise, aber fahrig klingen sie trotzdem nie. Da kann sich am Ende sogar ein abgedunkeltes Airhorn auf der Spur verirren. Das macht Spass. So ernsthaft ist er gar nicht, der Tapeman.
«Are there many places», sagt der letzte Track und ist programmatisch für diesen ganzen Bogen: ein Track wie ein Film. Das Raumschiff fliegt wieder, man wähnt sich in einer Voliere. Oder in jener Szene, in der man ankommt in einer wunderlichen neuen Welt und noch nicht weiss, was das jetzt sein soll: Utopie oder Dystopie, viertes Untergeschoss in einer Lagerhalle oder lichtdurchflutetes Loft, Primetime oder Afterhour.
«Anti-Territorial Expansion Space» ist am 12. Oktober bei swim.supply erschienen. Die auf hundert Exemplare limitierte Kassette gibt es hier.
Rec Out ist da, wo du am Pult den Cinch-Stecker einstöpselst, damit was klingt am Jack-Ende. Bei KSB heisst Rec Out regelmässig Schreiben zu naheliegender Musik.